Daß Papier geduldig ist, müssen nun auch CDU und Grüne in Nordrhein-Westfalen wieder feststellen. Beide Parteien hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, neben der Eifel einen zweiten Nationalpark einzurichten. Doch am „Wo“ scheiden sich die Geister, vor allem weil sich die Begeisterung vor Ort in engen Grenzen hält.
Zu den von Schwarz-Grün favorisierten Stellen zählten der Naturpark Egge in Ostwestfalen und der Reichswald am Niederrhein. Doch dort lehnen die Kreistagsfraktionen das Vorhaben ab. Auch in vier weiteren Regionen, die die Landesregierung avisiert hatte, regte sich Protest. Hinzu kommt, daß die beiden Koalitionäre das Projekt nicht mit gleicher Vehemenz vorbringen. Der Nationalpark ist ein grünes Prestige-Projekt, das steht außer Frage. Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen (CDU) wird dagegen nicht müde auf die Skepsis, Sorgen und Fragen zum Verfahren hinzuweisen. Die Grünen und die ihr nahestehenden Naturschutzverbände sehen mit einem Nationalpark einen Gewinn für die Artenvielfalt und Tourismus für die Region. Die Kritiker, die im Zweifel etwas lautstärker sind, fürchten in erster Linie mehr Bürokratie.
Vor allem die Landwirte haben es auf dieses Thema abgesehen – und mit denen ist derzeit ohnehin nicht gut Kirschen essen. Es gebe keine sachlich überzeugende Notwendigkeit, den Naturpark als Nationalpark auszuweisen. Das Gebiet habe sich unter den bestehenden Schutzvorkehrungen, trotz hohem Besucherdruck und außergewöhnlicher Verkehrsbelastung, herausragend entwickelt. Flora und Fauna seien für die Erholungssuchenden erlebbar, heißt es in einer Stellungnahme eines regionalen Arbeitskreises.
Die oppositionelle FDP im Düsseldorfer Landtag spricht von einem möglichen „Bürokratiemonster“, das entstehen könnte, wenn es zu einem weiteren Nationalpark kommt. Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) versucht sich als Moderator. Ein Nationalpark sei „nur im Konsens“ mit einer Region möglich, sagte er und formuliert es deutlich: „Wir drücken nicht von oben aus Düsseldorf einen Nationalpark rein.“
Offenbar setzt die Landesregierung mittlerweile auf den Faktor Zeit. Ursprünglich sollten sich interessierte Regionen bis zum Ende des ersten Quartals melden. Mittlerweile wird darüber diskutiert, ob man auch eine Verlängerung dieser Frist anbieten solle. „Es gibt landesweit in vielen Regionen eine große Diskussion über Nationalparke und den Naturschutz“, meinte Umweltminister Oliver Krischer von den Grünen, der ein deutlicher Befürworter ist. Er müsse den Menschen oft erklären, was der Unterschied zwischen einem Natur- und einem Nationalpark ist. Denn in einem Nationalpark hat der Naturschutz eindeutig Vorrang. So wird beispielsweise auf eine forstwirtschaftliche Nutzung wie etwa die Holzernte verzichtet. Auch deshalb sind viele Waldbesitzer strikt gegen eine Umwidmung vorhandener Gebiete. „Natur sein lassen“, lautet dagegen ein Motto der Nationalpark-Unterstützer. Man müsse die Natur einfach ihren eigenen Gesetzen überlassen.