Die Gesichter sind müde und grau, die Stimmung depressiv bis gereizt. Es sind die letzten Passagiere, die vor anderthalb Stunden auf dem Provinzflughafen gelandet sind. Sie alle eint die Gewißheit, daß sie zwar heil angekommen sind, ihr Gepäck aber nicht. Das ist irgendwo auf dem internationalen Streckennetz der Lufthansa verlorengegangen.
Nun stehen sie apathisch vor dem Schalter, an dem sie ihre Verlustmeldung abgeben müssen, denn ohne Registrierung und erteilte Nummer erfolgt keine Bearbeitung des Falls.
Um ihm die Koffer hinterherzuschicken könne man ihn doch einfach im Internet kontaktieren.
An der Spitze der Schlange steht ein Asiate, der entweder in Australien lebt oder den es gerade von seiner Weltreise vom Fünften Kontinent nach Europa verschlagen hat und das Pech hatte, den Weiterflug mit einer deutschen Airline antreten zu müssen. Jetzt studiert er gerade die Vorlageblätter, auf denen alle möglichen Gepäckstücke abgebildet sind, die so verlorengehen können.
Und alle anderen in der Schlange lugen ebenfalls neugierig, schon um zu wissen, welche Aufgaben kurz vor Mitternacht noch auf sie erwarten. Aufgeregt zeigt der Mann schließlich auf zwei Koffer und dann auf die Farben. Die Flughafenmitarbeiterin nickt zufrieden und verschwindet in ihrem Kabuff, um die Daten in einen Computer zu tippen. Minuten später kehrt sie mit einem Formular und einem Stift zurück. Der Mann soll seine Flugdaten, Namen, die Wohn- und die Zieladresse eintragen.
Der Asiate hat alles eifrig notiert, nur bei der Adresse zögert er. Diese gelte nur für drei Tage, dann reise er weiter. Oh, das werde knapp, so die Schalterfrau. Wo es denn dann hingehe? Nach Ungarn. Und danach? Der Weltreisende zuckt die Schultern. Vielleicht nach Bulgarien, oder nach Griechenland, Weltkulturerbestätten anschauen.
Wohin sie ihm denn nun das Gepäck nachschicken soll? Dorthin, wo ich bin, meint der Mann. Schließlich kommt ihm die rettende Idee: „Kontaktieren Sie mich einfach im Internet, falls Sie das Gepäck finden.“ Dann könne man gemeinsam entscheiden, wie es am schnellsten den Weg zu ihm findet.
Im Geiste sehe ich den Mann rund um den Globus jetten und seine Koffer, die vergeblich versuchen, ihn einzuholen. Denn für Gepäckverspätungen muß die Lufthansa keine Strafe zahlen, nur für verspätete Passagiere, und das auch nur, wenn man einen guten Rechtsschutz hat.