Der immer wieder verschobene und von Freunden der Weltraumoper im „Krieg der Sterne“-XXL-Format mit Spannung erwartete zweite Teil von „Dune“ kommt nun endlich in die Kinos und geht genau da weiter, wo vor zweieinhalb Jahren auf einmal Schluß war – mitten in der Wüste. Kurz zur Erinnerung an „Dune“, Teil eins: Auf dem Wüstenplaneten Arrakis wird das kostbare Spice gefördert, ein für die Raumfahrt unentbehrlicher Rohstoff. Als das Privileg zur Förderung von Spice vom galaktischen Geschlecht der Harkonnen auf das der Atreiden übertragen werden soll, gibt es eine Palastrevolte. Die Harkonnen haben nämlich kein Interesse daran, ihren Goldesel einfach abzutreten.
Nach der üppigen Exposition, mit der Regisseur Denis Villeneuve den Großteil von Teil eins der Weltraumoper bestritt, um die komplexe und figurenreiche Romanvorlage von Frank Herbert nicht wie zuvor sein Kollege David Lynch in ein gigantisches intergalaktisches Fragezeichen zu verwandeln und somit in den Sand zu setzen, treffen wir Paul Atreides, diesen Helden von edler Geburt und noch edlerer Bestimmung, zu Beginn des Films mitten in der Einöde des ungastlichen Planeten wieder. Ihm und seiner Mutter, der als Mitglied des Ordens der Bene Gesserit spirituell begabten Lady Jessica (Rebecca Ferguson), war die Flucht vor ihren Häschern gelungen.
Das Vertrauen der Ureinwohner gewinnen
Paul, die Galionsfigur der Guten in dem Epos, will seinen im ersten Teil ermordeten Vater, den Herzog Leto, rächen. Die Begegnung an diesem wüsten und leeren Orte mit der edlen Wilden Chani (Zendaya), die ihm bereits im ersten Teil aufgrund einer metaphysischen Verbindung in Traumvisionen erschienen ist, macht jedoch deutlich: Hier geht es um mehr als niedere Instinkte. Es geht um das große Ganze! Deswegen muß Paul jetzt auch aufs Ganze gehen und erst mal das Vertrauen der Ureinwohner von Arrakis, der Fremen, zu denen Chani gehört, gewinnen, um hernach – man kennt das aus der ideengeschichtlich verwandten Öko-Parabel „Avatar“ – Arrakis gegen die ökologisch unbedarften Invasoren und kapitalistischen Ausbeuter zu verteidigen. Und – wer weiß – vielleicht ergibt sich ja so ganz nebenbei auch eine Gelegenheit, Rache an denen zu üben, die Pauls Familie zerstört haben.
Selbstverständlich ist auch Platz für eine große Liebesgeschichte. Der kundige Leser hat gewiß längst erraten, wen Amors Pfeile treffen. Chani wird aber nicht nur Pauls Freundin, sondern auch seine Mentorin. Ganz im Sinne feministischer Außenpolitik verhilft sie Paul zu einem tieferen Verständnis ihres Volkes und ihres Planeten – ein entscheidender Abschnitt auf seiner Heldenreise. Denn – kurzer Rückblick auf den ersten Teil – der Sohn des Herzogs und der Seherin ist dazu ausersehen, ein gleichsam messianischer Anführer in dem antikolonialen Befreiungskampf zu werden, der bald die Leinwand erbeben lassen wird. Auch „Dune“ kommt also nicht ohne pseudoreligiöse Hirnprothesen für geistig Arme aus, wie sie das postchristliche Hollywood bereits für den letzten „Avatar“-Film aus dem Esoterik-Kramladen geholt hat.
Die Sprache der Fremen wurde extra kreiert
Hauptdarsteller Timothée Chalamet mußte für den Film – Tolkien läßt grüßen – Chakobsa lernen, die fiktive Sprache der Fremen. Den Senkrechtstarter erinnerte das an seine Zeit als Schüler, als es darum ging, das Englisch Shakespeares einzuüben. „Die Sprache wurde für den Film kreiert“, erläutert Chalamet im PR-Interview, „und wir hatten einen tollen Dialekttrainer, Fabien Enjalric, der das mit der Aussprache sehr ernst nahm. Es macht demütig, ist aber auch ziemlich cool, als Künstler einen Monolog zu halten, der nicht auf eine echte Sprache zurückgeht.“
Vor allen Dingen erinnert sich der Schauspieler aber an „Szene 62“, den Ritt auf dem Sandwurm, die über einen Zeitraum von drei Monaten entstand. Eine ganze Filmmannschaft, die „worm unit“, war für diesen Dreh abgestellt. Chalamet: „Es ist ein Ritual des Übergangs und einer der Hauptgründe, warum Paul von den Fremen aufgenommen wird, denn wer nicht eins geworden ist mit einem Shai-Hulud – das ist der Fremen-Ausdruck für den Sandwurm –, wäre in diesem Schlamassel umgekommen. Das passiert Paul nicht. Er reitet den Wurm.“
Der spanische Darsteller Javier Bardem, der den indigenen Freiheitskämpfer Stilgard verkörpert, nutzt im Interview das heilige Klima-Evangelium zu Zwecken der Film-PR und verweist darauf, wie weit seiner Ansicht nach der Roman von Herbert seiner Zeit voraus war. Denn: „Arrakis passiert heute, und es ist sehr erschreckend“, so der Bösewicht aus dem James-Bond-Film „Skyfall“, „es gibt Millionen Menschen, die schon jetzt unter solchen Umständen leben. Wir erschaffen eine Fiktion, die so nah an der Wirklichkeit ist und es in Zukunft sogar noch mehr sein wird, wenn wir nicht wirklich etwas dagegen tun.“
Die Klimawandelszenen, die Bardem zu so sorgenvollen Worten inspirierten, entstanden in Abu Dhabi und Jordanien; ferner waren Budapest und Italien Drehorte. Für den dröhnenden Klang-Bombast sorgte auch diesmal der deutsche Komponist Hans Zimmer. Einen besonderen Besetzungscoup landete die Produktion mit der Verpflichtung von Hollywood-Altstar Christopher Walken („Die durch die Hölle gehen“) für die Rolle des mächtigsten Mannes im Universum, des mit den Harkonnen gemeinsame Sache machenden Imperators Shaddam IV. „Der Imperator ist eine ikonische Figur in dieser Filmgeschichte“, erklärt Regisseur und Produzent Villeneuve, „und ich wollte einen Darsteller, der den Ernst, die Tiefe, den inneren Aufruhr in diesen Charakter einbringt. Christopher Walken war der einzige, den ich mir vorstellen konnte, als ich das Drehbuch schrieb, und es war ein Segen für mich, daß er für die Rolle zugesagt hat.“
Die ohnehin schon hochkarätige Besetzungsliste ist also noch einmal um ein paar Hochkaräter erweitert worden, darunter Léa Seydoux als Lady Margot Fenring. Das macht „Dune“ neben den aufwendigen Trickeffekten und den exotischen Drehorten zum teuersten Film, der in diesem Jahr bisher ins Kino gekommen ist. In Anbetracht solcher Investitionskosten muß das in jeder Hinsicht überdimensionierte Science-fiction-Abenteuer unbedingt einschlagen wie ein vertikal sich in den Wüstensand bohrender Shai-Hulud – und wird es auch.