Luxusgüter sind Produkte, deren Nachfrage steigt, wenn der Preis höher liegt. Für Bernard Arnault, der am 5. März seinen 75. Geburtstag feiert, erwies sich dieser Effekt als Lizenz zum Gelddrucken. Das Wirtschaftsmagazin Forbes führt den Franzosen auf seiner Vermögensliste seit 2023 auf Platz eins – mit umgerechnet 229,5 Milliarden Dollar. Dahinter landeten am 26. Februar Elon Musk (Tesla/208,7 Milliarden), Jeff Bezos (Amazon/196,5) und Mark Zuckerberg (Meta/169,7). Die nächsten Europäer folgen erst auf den Plätzen 13 (Amancio Ortega/Zara/103,8) und 15 (Françoise Bettencourt-Meyers/L’Oréal/98,6) und beide sind – wie der Japaner Tadashi Yanai (Platz 30/Uniqlo/42 Milliarden) – auch mit Mode reich geworden.
Die ersten Deutschen stehen auf den Plätzen 29 (Klaus-Michael Kühne/Logistik/42,7), 34 (Dieter Schwarz/Lidl/39,2) und 47 (Reinhold Würth/33,8). Mit Luxus hatte Arnaults Einstieg ins väterliche Unternehmen zunächst nichts zu tun. Er veräußert das Baugeschäft und steigt in die Planung von Ferienwohnungen an der Côte d’Azur ein. Nach dem Wahlsieg des Sozialisten François Mitterrand geht Arnault 1981 wegen der Verstaatlichungen in die USA. Er baut unter anderem die Luxuswohnanlage „The Princess“ in Palm Beach, wo er mit dem aufstrebenden Bauherrn Donald Trump Bekanntschaft macht.
Nach Mitterands 180-Grad-Wirtschaftswende kehrt Arnault 1984 nach Frankreich zurück, wo Premierminister Laurent Fabius sich gerade des notverstaatlichten Firmenkonglomerats Boussac-Saint Frères entledigen will. Auf Kredit finanzierte Firmenübernahmen waren unter dem König der Schrottanleihen, Michael Milken, in den USA schon länger Tagesgeschäft. Arnault führte das Konzept mit dem Lazard-Frères-Bankier Antoine Bernheim in Frankreich ein und übernahm Boussac.
Die Kaufhaussparte und einen Windelhersteller verkaufte er, wodurch er die Kredite zurückzahlen konnte. Übrig blieb die Modemarke Christian Dior – zwar ein Sanierungsfall, aber einer, der sich als Grundstock von Arnaults Luxusimperium erweisen würde. Ironie der Geschichte: Der Textilindustrielle Marcel Boussac war in den 1930er Jahren der reichste Franzose und konnte als Mitglied des Vichy-Nationalrats und dank rechtzeitiger Résistance-Kontakte den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überleben. Die Firmen-Überbleibsel sollten Arnault zum reichsten Mann der Welt machen.
Die Parallelen zur Moskauer Oligarchie sind frappierend
Nach dem Börsencrash von 1987 erwirbt Bernard Arnault erstmals Aktien des Fusionsunternehmens von Louis Vuitton und Moët Hennessy (LVMH). Im Jahr danach braucht die Firma dringend Kapital – Arnault stellt es zur Verfügung und erhöht seinen Anteil auf 25 Prozent. Die Chefs Henry Racamier und Alain Chevalier blieben gleichberechtigt an der Spitze, konnten sich aber nicht auf eine gemeinsame Linie einigen. Arnault macht den Aktionären ein Kaufangebot und wird so zum Großaktionär. Als solcher entläßt er 1989 die beiden Streithähne und übernimmt selbst die LVMH-Führung. Umsatz und Gewinn haben sich mehr als verzehnfacht. Statt Stahl und Beton meistert der Bauingenieur fortan Gold und Leder.
Die Wurzeln der Familie Arnault lassen sich ins Elsaß zurückverfolgen, doch Arnault wurde in Roubaix an der belgischen Grenze geboren und ist ein Prototyp der heutigen französischen Elite. Er absolvierte – wie Ex-Präsident Valéry Giscard d’Estaing – die Eliteuniversität École Polytechnique (l’X) mit Klassenkamerad Bruno Mégret, der bis 1998 wichtige Funktionen im Front National (FN) von Jean-Marie Le Pen innehatte. Arnaults Kinder wurden in einer Privatschule von der jetzigen Präsidentengattin Brigitte Macron unterrichtet. Zwei Söhne, Alexandre und Frédéric, schafften ebenfalls die Aufnahme in die l’X. Tochter Delphine lebt seit 2010 mit dem Telekom- und Medienmilliardär Xavier Niel (Iliad, Altice, Le Monde) zusammen. Die Parallelen zur Moskauer Oligarchie sind frappierender, als die geschlossene Gesellschaft in Paris es eingestehen würde.
Mode ist ein Hochrisikogeschäft. Verpatzt man eine Saison, sitzt man auf Megaverlusten. Verpaßt man einen weiteren Trend, gehen die Lichter aus. Die Branche neigt zur Konzentration, weil gutlaufende Marken in einem Konzern die problematischen über Wasser halten. Neben LVMH dominieren Kering (Paris/Gucci, Yves Saint Laurent, Brioni), Tapestry (New York/Coach, Versace, Michael Kors) und Richemont (Genf/A. Lange & Söhne, Cartier, Chloé, Montblanc). Die Hamburger Beiersdorf AG (La Prairie, Nivea) würde gerne durch den Kauf von Armani ins Luxussegment einsteigen, doch dessen Gründer verkauft bisher nicht. Die wenigen unabhängigen Marken wie Hermès (Paris), Burberry (London) oder Rolex (Genf) überleben durch Zeitlosigkeit. Die Wohlstandsexplosion Asiens hat das Luxusgeschäft belebt. Damit LVMH davon auch in Zukunft profitieren kann, hat Arnault vier seiner fünf Kinder in Führungspositionen positioniert. Vorerst läuft die Branche trotz Inflation rund. Denn bekanntlich steigt die Nachfrage nach Luxusgütern, je höher der Preis.
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