© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 10/24 / 01. März 2024

Trotz Bauernprotest stimmt EU-Parlament für „Renaturierungsgesetz“
Schikanen und Ideologie
Albrecht Rothacher

Brüssel gleicht dieser Tage einem Tollhaus. Bauern haben das Europaviertel unter Gülle gesetzt, verbrennen Reifen und durchbrechen mit Traktoren die Polizeisperren. Die EU-Agrarminister wollen nun – auf Druck von Frankreich, Italien und Spanien – mit weiterem Dirigismus den Volkszorn beschwichtigen. Doch mit der Verordnung von Mindestpreisen für Lebensmittel im Einzelhandel droht ein neues Bürokratiemonster – neben höheren Verbraucherpreisen und mehr Inflation.

Als hätten sie davon überhaupt nichts mitbekommen, beschließt die links-rot-grüne Mehrheit der Großstadtparteien – mit Hilfe von ökoideologischen Abweichlern bei Liberalen und EVP – im 350 Kilometer entfernten EU-Parlament in Straßburg mit 329 zu 275 Stimmen ein verschärftes „Renaturierungsgesetz“. Mit der Verordnung über die Wiederherstellung der Natur sollen im Zehnjahrestakt „bedrohte Ökogebiete“ – dies sind angeblich 80 Prozent der EU-Fläche – renaturiert werden: Moorflächen wieder bewässert, Wälder nicht mehr bewirtschaftet oder Flußbegradigungen rückgebaut werden. Die Zwangsbrachen auf den Acker- und Weideflächen beglücken die rot-grüne Schickeria, die vom Wolf und den sieben Geißlein in romantischen Urwäldern träumen. Dazu präsentiert die EU-Kommission eine dreiste Milchmädchenrechnung: Jeder in die Renaturierung investierte Euro würde eine Rendite von acht Euro erbringen.

Aber wie soll ein verwahrloster Wald, in dem der Borkenkäfer haust, oder Acker mit Unkraut auch nur einen Cent Ertrag bringen? Man will damit den 2022 veröffentlichten Klimavertrag „Kunming-Montréal Global Biodiversity Framework“ (GBF) umsetzen und rechtfertigen, wird argumentiert. Doch die politische Klasse hat immer noch nicht kapiert, daß sie die Bauern – die zu den wenigen naturnah wirtschaftenden Leistungsträgern unserer Gesellschaft zählen und die für unsere hochwertige Nahrung sorgen – mit dem Zwang zur unproduktiven Bürokratiearbeit statt zur Feldarbeit in den Wahnsinn treibt. Die polnische Ex-Regierungspartei PiS hat immerhin die Zeichen der Zeit erkannt und fordert den von ihr ernannten EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski zum Rücktritt auf. Und bei der Europawahl am 9. Juni können auch die Deutschen für eine Zeitenwende in Brüssel und Straßburg sorgen.