Geschickt ist er ja, der Robert Habeck. Stellenweise liest sich sein Jahreswirtschaftsbericht so, als hätte Ludwig Erhard persönlich ihn geschrieben. Deutschland sei viel zu bürokratisch, heißt es etwa darin. Das wolle man ändern, stattdessen müßten marktwirtschaftliche Ansätze dominieren, auch in der Klimapolitik. Bereits jetzt würden 40 Prozent der EU-weiten CO2-Emissionen durch das marktkonforme Emissionshandel-System (ETS) erfaßt. Spätestens 2028, mit dem ETS II-System für Gebäude und Verkehr, werden es sogar 85 Prozent sein. Und ja, natürlich gehe es darum, den „Wohlstand zu bewahren“.
Von Wohlstandssteigerung ist zwar keine Rede mehr, und Wohlstand soll auch nicht mehr allein am Einkommen gemessen werden – aber immerhin. Auch sonst gibt sich der Grüne durchaus selbstkritisch. Die für 2023 prognostizierten 0,2 Prozent Wachstum seien praktisch Stagnation. Natürlich seien daran hauptsächlich Putin und der lahmende Welthandel schuld. Aber Deutschland leide auch „unter strukturellen Problemen, die sich über viele Jahre aufgebaut haben.“ Dem wolle man jetzt mit einem „Reformbooster“ zu Leibe rücken. Insgesamt zehn Handlungsfelder zählt der Bericht dazu auf, von Investitionsstärkung und Entbürokratisierung bis Bildungsoffensive und Modernisierung der Infrastruktur.
Das hat man natürlich alles irgendwo schon mal gehört. Der Bericht nennt aber auch einige konkrete Ansätze, so etwa Abschreibungserleichterungen, höhere Schwellenwerte für unternehmerische Berichtspflichten oder den „Spurwechsel“ für eine bessere Integration von „Geflüchteten“ in den Arbeitsmarkt. Aber letztlich verliert sich das meiste davon im Klein-Klein, ein großer Wurf sieht anders aus. Denn vor notwendigen, aber unpopulären Entscheidungen scheut sich die Ampel wie eine Gazelle vor dem Komodowaran. So werden die Vorschläge des Sachverständigenrates für eine längere Lebensarbeitszeit im Bericht rundweg abgelehnt. Eine echte Reform des beschäftigungsfeindlichen Bürgergeldes sucht man vergebens. Stattdessen soll wieder einmal das Fell des Bären gewaschen werden, ohne ihn naß zu machen: Geringere Transferentzugsraten für Hinzuverdiener hier, höheres Wohngeld da, Befreiung älterer Arbeitnehmer von Steuern dort. Und „Klimageld“ für alle, bis auf die Besserverdiener natürlich.
Statt die Probleme an der Wurzel anzupacken, sollen sie zugekleistert werden mit Geld, das man eigentlich gar nicht hat. So wurden laut Bericht allein für die Unterstützung der Ukraine bisher 28 Milliarden Euro ausgegeben, das meiste davon für den Lebensunterhalt hierher Geflüchteter. Wie man diese aber stärker in den Arbeitsmarkt einbinden könnte, was in anderen Ländern durchaus geschieht, bleibt unerörtert. Stattdessen wimmelt es im Bericht von Förderprogrammen, von Dekarbonisierung über „Mehr Unternehmerinnen für den Mittelstand“ bis zum „Frühphaseninvestors High-Tech Gründerfonds“ – allein die Aufzählung würde Seiten füllen. Wie unter diesen Umständen Bürokratie abgebaut werden soll, bleibt Habecks Geheimnis. Und mit der Marktwirtschaft ist es in Wahrheit auch nicht weit her. Denn im konkreten Teil des Berichts dominiert nach wie vor die Planwirtschaft, vom faktischen Verbrenner-Verbot bis zum Photovoltaik-Zwang. Dabei ist all dies völlig überflüssig, da ja das ETS II den CO2-Ausstoß dieser Sektoren ab 2028 bindend deckelt. Es reicht eben nicht, von Marktwirtschaft zu reden – man muß sie auch verstanden haben.