In der Schweiz werden die Bürger wieder einmal zur Abstimmung gerufen. Es geht um ein heikles Thema, das teilweise die Anhänger der jeweiligen Parteien entzweit. Zur Abstimmung in Rentenfragen stehen zwei Vorlagen. Die Volksinitiative „Für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge“ (Renteninitiative) der Jungfreisinnigen verlangt die Erhöhung des Rentenalters von Männern und Frauen auf 66 Jahre, anschließend soll das Rentenalter mit der Lebenserwartung weiter steigen. Sie wurde im Juli 2021 eingereicht.
Bundesrat und Parlament empfehlen die Ablehnung der Initiative, die auch in den aktuellen Umfragen keine Mehrheit hat. Bei den Jungfreisinnigen handelt es sich um die Jugendorganisation der liberalen Freisinnig-Demokratischen Partei der Schweiz (FDP). Die ist normalerweise um strikte Abgrenzung zur rechten Schweizerischen Volkspartei (SVP) bemüht. Doch in Rentenfragen liegt man auf einer Linie. Im Schnitt beziehen Männer acht und Frauen zehn Jahre länger eine Rente, als dies ursprünglich geplant war, betonen beide Parteien.
„Ein Ja zur Renteninitiative ist ein Ja zu weniger Zuwanderung“
Die Struktur der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) entspräche nicht mehr den heute geltenden Normen. Der entscheidende Unterschied in den Argumentationen: Die Freisinnigen setzen auf rein ökonomische Aspekte, während die SVP auch das Migrationsthema auf die Agenda bringt.
„Da die Leute länger arbeiten, lindert die Renteninitiative zudem den Fachkräftemangel. Ein Ja am 3. März zur Renteninitiative ist deshalb auch ein Ja zu weniger Zuwanderung“, heißt es in einer Mitteilung. Doch mit dem offiziellen Kurs der Partei fremdelt offenbar auch die Basis. Eine aktuelle Umfrage zeigt, daß nur die Mitglieder der Freisinnigen hinter der Renteninitiative stehen – und auch dort ist es nur etwas mehr als die Hälfte. Bei der SVP folgt die Basis der Ja-Parole der nationalen Partei nicht, eine deutliche Mehrheit ist mittlerweile dagegen.
Meinungsforscher geben der Initiative daher kaum noch eine realistische Chance. Selbst die anfängliche Zustimmung von Rentnerinnen und Rentnern ist über den Kampagnenverlauf weggebrochen. So hegen diese zwar nach wie vor mehr Sympathien für die Renteninitiative als jüngere Stimmberechtigte, seien aber nun auch mehrheitlich dagegen.
„Die Volksinitiative für die Erhöhung des Rentenalters der Jungfreisinnigen dürfte am 3. März auf verlorenem Posten stehen. Ein Ja ist praktisch nicht mehr möglich“, sagt Lukas Golder vom Forschungsinstitut GFS Bern. Deutlich bessere Chancen hat wohl der zweite Antrag. Hinter der Initiative „Für ein besseres Leben im Alter“ steht der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB). Sie verlangt eine 13. Monatsrente für AHV-Rentnerinnen und Rentner. Das würde einer Rentenerhöhung von über acht Prozent gleichkommen. Dabei hat die Stimmbevölkerung ein fast identisches Begehren vor sieben Jahren klar abgelehnt.
Das war allerdings, bevor Corona, Krieg und Inflation auch in den Alpen die Preise ansteigen ließen. Die Schweizer passen gern auf ihren Staatshaushalt auf. Aber die gestiegenen Preise hätten einen Rentenmonat gefressen, sagen Experten. Interessant ist folgendes: Die Abstimmung braucht eine Mehrheit in der Gesamtbevölkerung (Volksmehr) sowie eine Mehrheit in den einzelnen Kantonen (Ständemehr). Die Meinungsforscher gehen davon aus, daß dies möglich ist.