© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 10/24 / 01. März 2024

Sprachschnüffler bei Jim Knopf
Aus Furcht vor Anprangerung
Thomas Paulwitz

Ein Untertan darf nicht „Neger“ sagen. Herr Ärmel schlaumeiert im Kinderbuchklassiker „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ nicht mehr: „Das dürfte vermutlich ein kleiner Neger sein.“ Beim Anblick des Kindes, das die Post in einem Paket aus Versehen nach Lummerland geliefert hat, ruft der Untertan statt dessen nunmehr politisch korrekt aus: „Das ist aber eine ganz ungewöhnliche Postsendung.“

Der Thienemann-Verlag hat seinen Widerstand gegen die Anpassung des Buches an den Zeitgeist aufgegeben und mehrere Stellen, in denen es um schwarze Hautfarbe geht, mit Hilfe eines „Sensitivity Readers“ umgeschrieben. Sprachschnüffler haben das gesellschaftliche Klima nachhaltig vergiftet. Aus Furcht vor öffentlicher Anprangerung schreiben Verlage ihre Bücher um und streichen vermeintlich rassistische Wörter.

Die Bewältigung des Kolonialismus ist die neue deutsche Staatsräson, die Kulturstaatsministerin Claudia Roth ausgerufen hat. Dieser Roth-Doktrin können sich selbst Kinderbuchverlage nicht entziehen. Sie wollen nicht ins Visier „zivilgesellschaftlicher Gruppen“ geraten, die ohne staatliche Alimentierung nicht existierten.

Unklar bleibt indes, wie König Alfons der Viertel-vor-Zwölfte die neue Sprachsensibilität seines Untertanen beurteilt. Vermutlich ist sie ihm herzlich egal.


Thomas Paulwitz ist Schriftleiter der vierteljährlich erscheinenden Zeitung Deutsche Sprachwelt. https://deutsche-sprachwelt.de