Ohne durch ein Gedenkdatum gedrängt zu sein, erinnert Wilhelm von Sternburg an Friedrich Sieburg (1893–1964), den „Literaturpapst der Adenauer-Republik“ (Universitas, 11/2023). Erwartungsgemäß fällt das Urteil des linksliberalen Publizisten über den konservativen FAZ-Feuilletonisten wenig schmeichelhaft aus. Zwar seien die Bücher des Frankreichkenners über Robespierre, Napoleon und Chateaubriand „heute noch überaus lesenswert“. Auch seine Reisereportagen, die er in der Zwischenkriegszeit Polen, Portugal, Japan, Afrika und der Arktis widmete, könnten weiterhin ebenso „fesseln“ wie einige seiner „wundervollen Feuilletons“. Doch zählen für von Sternburg, der bis 1993 als TV-Chefredakteur beim Hessischen Rundfunk tätig war, bevor er sich als Biograph von Arnold Zweig, Joseph Roth und anderen ihm politisch verwandten Schriftstellern der Weimarer Republik profilierte, unterm Strich allein Sieburgs Haltung und Gesinnung, nicht die Qualität seiner Texte. Und moralisch sei dieser „Nazi-Helfer“, ein vom Karriereehrgeiz überwältigter, auf kulturpolitische Einflußnahme versessener „fataler Opportunist“, für alle Zeit diskreditiert – wie der vermutlich einst durch Zufall auf seinen Frankfurter Chefposten gelangte SPD-Parteigänger findet. Damit gehöre Sieburg zu den „Totengräbern der Weimarer Demokratie vom Schlage Carl Schmitts, Martin Heideggers und leider zeitweise auch Gottfried Benns“, deren Intelligenz und Begabung nicht ausreichten, um ihre menschlichen Schwächen zu besiegen. Ihr Bespiel lehre, „nicht was wir schreiben, sondern wie wir in existentiellen historischen Momenten handeln, ist entscheidend“.