Für ihren großen Auftritt hatte sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) männliche Unterstützung mitgebracht. Und so stand sie vergangene Woche im Saal der Bundespressekonferenz eingerahmt vom Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, und dem Präsidenten des Bundeskriminalamts, Holger Münch, und hielt den neuen Maßnahmenkatalog ihres Hauses mit dem Titel „Rechtsextremismus entschlossen bekämpfen – Instrumente der wehrhaften Demokratie nutzen“ in die Kameras. Nicht, daß es der Ministerin an Selbstbewußtsein fehlt – die Anwesenheit der Chefs der beiden Sicherheitsbehörden sollte die Bedeutung des Auftritts und der vorgestellten Maßnahmen unterstreichen.
„Wir wollen alle Instrumente des Rechtsstaats nutzen, um unsere Demokratie zu schützen. Wir wollen rechtsextremistische Netzwerke zerschlagen, ihnen ihre Einnahmen entziehen und ihnen die Waffen wegnehmen“, gab Faeser die Richtung vor und bezeichnete die zahlreichen Demonstrationen der vergangenen Wochen „ gegen den Haß und für die Demokratie“ als Ermutigung und Auftrag für ihre Arbeit. „Es geht darum, unsere offene Gesellschaft gegen ihre Feinde zu verteidigen. Der Kern unserer Strategie bleibt: Prävention und Härte. Wir müssen mit aller Kraft verhindern, daß sich diese menschenverachtende Ideologie weiter in unsere Gesellschaft frißt“, sagte die Ministerin und präsentierte 13 Maßnahmen, um dieses selbstgesteckte Ziel zu erreichen.
„Wir sollten rechtsextremistische Netzwerke so behandeln wie Gruppierungen der organisierten Kriminalität. Diejenigen, die den Staat verhöhnen, müssen es mit einem starken Staat zu tun bekommen“, faßte Faeser ihr Ziel zusammen. Das bedeute, jeden Rechtsverstoß konsequent zu ahnden. „Das kann nicht nur durch die Polizei, sondern auch durch Ordnungsbehörden wie die Gaststätten- oder Gewerbeaufsicht geschehen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz verstärkt hierfür seine Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden vor Ort. Bei Rechtsextremisten jeden Stein umzudrehen – das muß der Ansatz sein.“
Ein Bestandteil von Faesers Maßnahmenpaket ist der in den vergangenen Wochen bereits diskutierte stärkere Schutz des Bundesverfassungsgerichts (JF 7/24). Im Papier der Innenministerin läuft dies unter der Überschrift „Resilienz der Demokratie stärken“. Demnach sei es notwendig, das Gericht „stärker gegen die Einflußnahme demokratiefeindlicher Kräfte“ abzusichern. „Dazu bietet es sich an, die zentralen Regelungen zu Organisation und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts in das Grundgesetz aufzunehmen.“
Der zweite Punkt des Papiers, „Ganzheitlicher Ansatz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus“, gibt den eigentlichen Grundton vor: Der von Faeser betriebene „Kampf gegen Rechts“ wird auf eine Ebene mit der Bekämpfung der organisierten Kriminalität gehoben. „Wie bei der ganzheitlichen Bekämpfung organisierter Kriminalität und der Clankriminalität müssen extremistische Akteure jederzeit – auch außerhalb der unmittelbaren Bekämpfung extremistischer Agitation – zu gesetzeskonformem Verhalten angehalten werden“, lautet die Vorgabe des Maßnahmenpakets, das eine stärkere Vernetzung der Behörden und einen intensiveren Informationsausstauch propagiert. „Das Bundesamt für Verfassungsschutz wird seine Datenübermittlungsbefugnisse verstärkt nutzen und anderen Behörden Erkenntnisse zuliefern, um weitergehende Maßnahmen anzuregen.“
„Verfassungsstaat hat
nicht für Vielfalt zu sorgen“
Ebenfalls weit oben auf der Prioritätenliste der Ministerin: Das „Austrocknen“ rechtsextremistischer Netzwerke. Doch ein genauerer Blick in das Papier zeigt, daß es um mehr geht, als Geldströme zu stoppen. Die Eingriffsschwelle liegt deutlich niedriger. So soll der Verfassungsschutz sich nach dem Willen des Innenministeriums eng mit dem Finanzsektor, also Banken austauschen, „um diesen für die Problematik von Finanzströmen und -transaktionen in Zusammenhang mit Rechtsextremismus zu sensibilisieren.“
Haldenwang nahm diese und andere Vorlagen seiner Chefin dankend auf und weitete bei der Vorstellung des Maßnahmenpakets das Aktionsfeld seiner Behörde im Kampf gegen den Rechtsextremismus ebenfalls deutlich aus: „Wir dürfen nicht den Fehler machen, im Rechtsextremismus nur auf Gewaltbereitschaft zu achten, denn es geht auch um verbale und mentale Grenzverschiebung“, sagte der oberste Verfassungsschützer und präzisierte: „Wir müssen aufpassen, daß sich entsprechende Denk- und Sprachmuster nicht in unsere Sprache einnisten.“ Nicht alles, was Faeser in der vergangenen Woche vorgestellt hat, ist neu. Bereits im März 2022 hatte sie zusammen mit Haldenwang und Münch einen zehn Punkte umfassenden Aktionsplan gegen Rechtsextremismus präsentiert. Einige Punkte, wie etwa die von ihr geplante Verschärfung des Waffengesetztes, sind bislang am Widerstand des Koalitionspartners FDP gescheitert.
Eine Erfahrung, die auch Faesers Kollegin Lisa Paus (Grüne) bei einem ihrer Lieblingsvorhaben gemacht hat. Denn das von der Bundesfamilienministerin bereits im vergangenen Jahr vorgelegte Demokratiefördergesetz, das unter anderem die Finanzierung sogenannter „Nichtregierungsorganisationen“ dauerhaft regeln soll, stößt bei der FDP auf wachsende Kritik. Insbesondere der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki hatte das geplante Vorhaben in der vergangenen Woche scharf kritisiert „Es wird kein sogenanntes Demokratiefördergesetz geben, das eine institutionelle Finanzierung von Vereinen und Verbänden vorsieht, die sich als sogenannte Nichtregierungsorganisationen bezeichnen.“ Der Bundestagsvizepräsident hatte sich vor allem an dem Anspruch des Gesetzes gestört, Vielfalt zu gestalten. „Der demokratische Verfassungsstaat hat nicht die Aufgabe, für gesellschaftliche Vielfalt zu sorgen, sagte Kubicki. Wer meine, mit Hilfe eines Gesetzes über die gesellschaftliche Vielfalt entscheiden zu können, habe nicht den Schutz der Demokratie im Sinn, sondern eigene Machtpolitik.
Auch an einer Äußerung Paus’ in der vergangenen Woche bei der Vorstellung der Studie „Lauter Haß – leiser Rückzug“ über Anfeindungen im Internet störte sich Kubicki. Die Familienministerin hatte angekündigt, daß die Bundesregierung dem Umstand Rechnung tragen wolle, daß Haß im Netz „auch unter der Strafbarkeitsgrenze“ vorkomme. „Viele Feinde der Demokratie wissen ganz genau, was auf den Social-Media-Plattformen gerade noch so unter Meinungsfreiheit fällt. Wir als Bundesregierung werden da, wo nötig, Gesetze überprüfen und bei Bedarf auch nachjustieren“, kündigte sie an. Kubicki sagte dem Nachrichtenportal Nius, er sei gespannt, wie Paus ein Grundrecht dauerhaft gesetzlich einschränken wolle. „Es ist jedenfalls nicht politische Aufgabe, schon gar nicht Aufgabe eines Ministeriums, Artikel 5 unseres Grundgesetzes auszulegen.“