© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 09/24 / 23. Februar 2024

Ländersache: Niedersachsen
Direkt und schnell befördert
Kuba Kruszakin

Im Wahlkampf 2022 hatte Stephan Weil (SPD)ausweislich seiner Kampagne „keine Zeit für Sprüche“. Bald aber wird Niedersachsens Ministerpräsident wohl nicht darum herumkommen, sich Zeit zum Sprechen zu nehmen. Denn wenn es nach dem Willen der oppositionellen CDU-Landtagsfraktion geht, muß der 65jährige Landesvater demnächst vor einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuß Rede und Antwort stehen. Der soll die möglicherweise unrechtmäßige Beförderung von Weils Büroleiterin Aynur Colpan aufklären.

In der SPD ist Colpan kein unbeschriebenes Blatt. Die 33jährige ist seit vier Jahren Vorsitzende der Partei im Heidekreis und außerdem ehrenamtliche Bürgermeisterin von Buchholz an der Aller. Als Kommunalpolitikerin mahnte sie stets mehr Transparenz an. Zum Beispiel in einem Gespräch mit Bild-TV im Jahr 2022: „Wir müssen aufpassen, daß wir direkt, schnell und kommunikativ sind.“ 

Jetzt sorgt ihr eigener Fall für den Vorwurf der Intransparenz. Seit Februar vergangenen Jahres arbeitet die gelernte Steuerfachangestellte in der Hannoveraner Staatskanzlei. Weil es ihr an Berufserfahrung in der Verwaltung mangelte, bezog sie mit 6.301 Euro monatlich ein geringeres Gehalt als ihre Vorgänger. Im November ließen Weil und sein grüner Finanzminister Gerald Heere die bisher geltenden Vorschriften jedoch mit sofortiger Wirkung ändern. Dadurch verdient Colpan nicht nur seitdem 30 Prozent mehr; die Gehaltserhöhung gilt sogar rückwirkend zum 1. August 2023.

Vor allem diese Rückdatierung sorgte bei der Union für Unmut. „Das ist nicht schlüssig und aus unserer Sicht rechtswidrig“, empörte sich die Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU-Landtagsfraktion, Carina Hermann. Weil nannte die Vorwürfe „aus der Luft gegriffen“ und verteidigte die Entscheidung. In anderen Bundesländern und auf Bundesebene würden ähnliche Vorschriften gelten. Niedersachsen folge also nur dem Beispiel anderer. Die vorherige Praxis habe den Quereinstieg für Angestellte erschwert, die Arbeit in der Landesverwaltung sei dadurch weniger attraktiv gewesen. Der Opposition reichen solche Erklärungen nicht, sie spricht von einer „SPD-Gehaltsaffäre“. Alle fachlichen Prüfungen seien zum Ergebnis gekommen, daß Weils Vorgehen rechtswidrig war, meinte der CDU-Fraktionsvorsitzende Sebastian Lechner. Deshalb halte man am Untersuchungsausschuß fest. Den einzusetzen kann die rot-grüne Mehrheit nicht verhindern. Denn das dafür notwendige Quorum von einem Fünftel der Abgeordneten erreicht die CDU allein durch ihre Fraktion.

Der bisher letzte Untersuchungsausschuß im Niedersächsischen Landtag hatte 2017 getagt. Damals mußte sich Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) wegen Unregelmäßigkeiten bei öffentlichen Vergabeverfahren erklären. Aufgrund der nachgewiesenen Einflußnahme verlor seine Staatssekretärin Daniela Behrens (SPD) ihren Posten. Wenige Jahre später kehrte sie in die Landesregierung zurück und steht heute an der Spitze des Innenressorts. Colpans Karriere scheint noch weniger gefährdet zu sein – zumal sogar die CDU betont, es gehe nicht um sie als Person.