© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 08/24 / 16. Februar 2024

Ein Land mit zehn Millionen Freiheitskämpfern
Bence Bauer versucht, die von etablierten westeuropäischen Mustern abweichende Politik in Ungarn dem deutschen Publikum näherzubringen
Fritz Söllner

Als erster Band der neuen Reihe „Beiträge zur deutsch-ungarischen Verständigung“ ist der Sammelband „Ungarn ist anders“ von Bence Bauer erschienen. Bauer, Direktor des Deutsch-Ungarischen Instituts für Europäische Zusammenarbeit in Budapest, wurde in Budapest geboren und wuchs in Deutschland auf, wo er auch jahrelang arbeitete, unter anderem für die Konrad-Adenauer-Stiftung. Er ist ein profunder Kenner der deutsch-ungarischen Beziehungen und als solcher prädestiniert, zu einem besseren gegenseitigen Verständnis von Deutschen und Ungarn beizutragen. „Ungarn ist anders“ enthält zum Großteil schon früher, teils in Deutschland, teils in Ungarn veröffentlichte Beiträge. Die sechs Teile sind folgenden Themenkreisen gewidmet: „Nation und Geschichte“, „Ungarische Positionen“, „Ungarn und seine Nachbarn“, „Ungarische Blicke auf Deutschland“, „Deutsche Blicke auf Ungarn“ und „Ungarn in Europa“. Das Buch richtet sich vor allem an den deutschen Leser und will diesem Einblicke vermitteln in die ungarische Geschichte, die ungarische Politik, die ungarische Kultur und vor allem das Verhältnis von Ungarn zu seinen europäischen Nachbarn. „Ungarn ist das Land der zehn Millionen Freiheitskämpfer“. Dieser in Ungarn geläufige Ausspruch wird mehrmals von Bauer zitiert und ist bezeichnend für das Selbstverständnis und das Freiheitsstreben der Ungarn – früher im Verhältnis zu den sowjetischen Unterdrückern, heute gegenüber den Zentralisten in Brüssel und den Hauptstädten der westlichen EU-Mitgliedstaaten. 

Rote Tücher für die westeuropäischen Eliten

Besonders in Deutschland stößt die Haltung Ungarns auf Unverständnis, Mißtrauen und Ablehnung, was vor allem einer oft verzerrenden und diffamierenden Berichterstattung in den Mainstream-Medien geschuldet ist. Bauer versucht hier Abhilfe zu schaffen, indem er klar und deutlich, aber immer sachlich die Haltung Ungarns in Fragen wie der Migrations-, der Medien-, der Familien- und der Rußlandpolitik darstellt. Das Bemühen um eine kinder- und familienfreundliche Sozial- und Steuerpolitik, die Ablehnung der unkontrollierten Einwanderung, eine konservative Kulturpolitik, eine an Realpolitik orientierte Rußlandpolitik, der Stolz auf das eigene Land und dessen Traditionen – all das sind rote Tücher für die westeuropäischen Eliten, wagt es doch die ungarische Regierung, eine Politik im Interesse des eigenen Volkes und nicht im Interesse neosozialistischer Ideologen und politischer Moralisten zu betreiben. Die scharfe und unsachliche Kritik, die Ungarn vor allem in den deutschen Medien entgegenschlägt, verrate dabei, so Bauer, mehr über Deutschland als über Ungarn. Denn die ungarische Position stelle einen freiheitlich-konservativen Gegenentwurf zur hiesigen linksliberalen Ideologie dar. 

Dieser Gegenentwurf darf natürlich in der deutschen Öffentlichkeit nicht als eine erwägenswerte, möglicherweise sogar aus Sicht der Bevölkerungsmehrheit überlegene Alternative zur aktuellen Richtung in der deutschen Politik wahrgenommen werden, sondern muß als reaktionär, chauvinistisch und europafeindlich dargestellt werden. „So ist es kaum verwunderlich, wenn die konservative ungarische Politik mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln angegangen wird.“ Auch wenn das vorliegende Buch daran nicht viel ändern wird, so sind die hier versammelten Aufsätze doch gut dazu geeignet, beim unvoreingenommenen Leser Verständnis für Ungarn und die ungarische Politik zu wecken. Bei manchem Leser wird das so weit gehen, daß er den Titel „Ungarn ist anders“ in Gedanken durch „... und besser“ ergänzt.

Bence Bauer: Ungarn ist anders. Beiträge zur deutsch-ungarischen Verständigung, Band 1 (Hrsg. Frank-Lothar Kroll). MCC Press, Budapest 2023, broschiert, 262 Seiten, 1.490 Forint

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