© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 08/24 / 16. Februar 2024

Weisungsgebundene Staatsanwälte: Relikt aus Zeiten des Obrigkeitsstaats
Früher Speerspitze in Diktaturen
(dg)

Volker Boehme-Neßler, Oldenburger Professor für Öffentliches Recht, war Ende 2018 der einzige namhafte Staatsrechtler, der ein vehementes publizistisches Veto einlegte gegen die von Angela Merkel durchgedrückte Beförderung ihres Parteifreundes, des Wirtschaftsanwalts Stephan Harbarth, zum Vize- und schließlich zum Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts. Eine so offenkundig parteipolitische Besetzung des obersten Gerichts schwäche das immer noch vorhandene Urvertrauen in dessen Unabhängigkeit (Cicero, 2/2024). Einen ähnlichen Vertrauensverlust erleide der Rechtsstaat durch ein Relikt aus dem obrigkeitsstaatlichen 19. Jahrhundert: der weisungsgebundenen Staatsanwaltschaft. Politisch gesteuerte Staatsanwälte kenne die deutsche Rechtsgeschichte als „Speerspitze von Diktaturen“ aus der NS- und SED-Zeit. In der Berliner Republik seien Staatsanwälte zwar keine „Instrumente der Repression“, aber die historische Erfahrung lehre, daß auch sie machtpolitisch mißbraucht werden könnten. Zweifelhaft sei daher schon, ob politisch gesteuerte Staatsanwälte den „undurchsichtigen Cum-Ex-Skandal“, in den Bundeskanzler Olaf Scholz verwickelt ist, ähnlich souverän aufklären wie ihre nicht weisungsgebunden Kollegen in Italien, die in den 1990ern die monströsen Verfilzungen zwischen Politik und Mafia aufdeckten. 


 www.cicero.de