© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 08/24 / 16. Februar 2024

Fauler Zauber
Berlinale: Veranstalter laden AfD-Parlamentarier aus
Thorsten Thaler

Im Programmheft der an an diesem Donnerstag beginnenden Berlinale heißt es zur Einführung: „Die Internationalen Filmfestspiele Berlin sind ein Ort des Austauschs und des Dialogs. (…) Als Festival möchten wir die Fähigkeit der Gesellschaft stärken, über Konflikte zu sprechen.“ Da ist sie also gleich wieder, die Rede vom freien Meinungsaustausch hierzulande. Allein die schönen Worte sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind. Sie sind reine Roßtäuscherei, fauler Zauber. Tatsächlich wollen die Berlinale-Verantwortlichen um das Führungsduo Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian unter sich bleiben.

Vor einer Woche teilte die Berlinale mit, sie habe alle ursprünglich eingeladenen Vertreter der AfD von der Veranstaltung wieder ausgeladen. „AfD-Politiker*innen“ seien nicht willkommen. „Das Engagement für eine freie, tolerante Gesellschaft“ gehöre zur DNA der Berlinale, heißt es schönfärberisch. Zuvor hatten mehr als 200 Filmschaffende in einem offenen Brief die Ausladung von AfD-Vertretern gefordert.

Vor allem mit Blick auf die vermeintlichen Enthüllungen über das Potsdamer Treffen, an dem auch AfD-Mitglieder teilgenommen hatten, so die Berlinale weiter, sei es wichtig, „unmißverständlich Stellung zu beziehen für eine offene Demokratie“. Die Verantwortlichen der Berlinale beobachteten mit Sorge, „wie Antisemitismus, antimuslimische Ressentiments, Haßreden und andere antidemokratische und diskriminierende Haltungen in Deutschland zunehmen“ und wollten diesen Einstellungen keine Bühne bieten.

Noch Tage vorher hatten der Berliner Senat und das Büro von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) die Einladung von AfD-Politikern als „protokollarische Gepflogenheit“ verteidigt. Das entspreche „der demokratischen Praxis und dem Respekt der Bundesregierung vor dem Parlament und seinen gewählten Abgeordneten“. Zudem sei die Veranstaltung „auch mit erheblichen Bundesmitteln“ finanziert und müsse daher versuchen, die gesamte Gesellschaft abzubilden. Für die Festspiele zahlt der Bund rund 10,7 Millionen Euro. Das entspricht immerhin etwa einem Drittel des Gesamtbudgets. Dazu kommen Sponsorengelder und Einnahmen durch den Ticketverkauf. Ohne die öffentliche Hand würde die Berlinale also vor dem Aus stehen.

Von der Ausladung betroffen sind die Fraktionsvorsitzende der AfD im Berliner Abgeordnetenhaus, Kristin Brinker, ihr Stellvertreter, der medienpolitische Sprecher Ronald Gläser, sowie die AfD-Bundestagsabgeordneten, die dem Kulturausschuß des Parlaments angehören. In einem Schreiben an die Berlinale-Leitung zeigte sich Fraktionschefin Brinker „erstaunt und einigermaßen befremdet“ darüber. Die Ausladung sei ein „kulturpolitisches Fanal mit unabsehbaren Folgen für das gesellschaftliche Miteinander“. Gerade der Kulturbetrieb müsse unterschiedliche Meinungen und Haltungen aushalten.  

Die Berlinale findet seit 1951 jährlich statt und gilt als eines der wichtigsten Filmfestivals der Welt. Sie endet dieses Jahr am 25. Februar. Für sein Lebenswerk ausgezeichnet wird der US-amerikanische Regisseur und Produzent Martin Scorsese.