© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 08/24 / 16. Februar 2024

Ägypten fürchtet Ungemach
Gaza-Krieg: Israel weist Forderung der Hamas nach Friedensgesprächen zurück / US-Regierung macht Druck
Sandro Serafin

Vier Monate nach dem Hamas-Überfall auf Israel tobt der Krieg im Gazastreifen weiter. Die vorläufige Bilanz: Auf israelischer Seite sind über 225 Soldaten gefallen. Bei den Palästinensern spricht Israel von mehr als 10.000 „getöteten Terroristen“. Hinzu kommen mindestens ebensoviele tote Zivilisten. Außerdem geht Israel davon aus, 18 von 24 Hamas-Bataillonen ausgeschaltet zu haben. Insgesamt läßt sich kaum einschätzen, wie sehr die Armee ihre operativen Pläne bis dato erfüllen konnte. Die israelische Führung rechnet noch mit mehreren Monaten Krieg. Als meßbaren Erfolg kann sie verbuchen, daß kaum mehr Geschosse aus der Küstenenklave nach Israel fliegen.

Nun könnte eine Ausweitung der Offensive auf Rafah anstehen, der südlichsten Stadt direkt an der Grenze zu Ägypten. Rafah ist sicherheitsstrategisch von größter Bedeutung, weil es Zugang zum „Philadelphi-Korridor“ bietet, dem Grenzstreifen zum Nachbarland, der die Kontrolle über die Ein- und Ausfuhren und damit über Waffenschmuggel zumindest erleichtert. Davon abgesehen könnte es bald zum letzten Rückzugsort der noch kampffähigen Hamas-Einheiten werden.

Noch halten sich die arabischen Staaten zurück

Israels Problem: Eine Offensive dort birgt große politische Risiken. In Rafah halten sich nach UN-Einschätzungen mehr als die Hälfte der rund 2,3 Millionen Bewohner des Gazastreifens auf. Es sind große Zeltlager entstanden. Israels Premier Benjamin Netanjahu wies die Armee zwar an, einen Evakuierungsplan vorzulegen. Eine Offensive zum jetzigen Zeitpunkt wird aber auch bei den Verbündeten äußerst kritisch beäugt. Spürbar abgekühlt ist das Verhältnis zwischen Israel und den USA. Joe Biden erklärte jüngst ganz offen, das israelische Agieren im Gazastreifen sei „ein bißchen übertrieben“. Gegenüber NBC ventilierten Vertraute des Präsidenten gar die Behauptung, dieser habe Netanjahu mehrfach intern „Arschloch“ genannt.

Derweil fürchtet Ägypten, daß Hunderttausende Palästinenser als Flüchtlinge über die Grenze gedrückt werden könnten. Wie ernsthaft eine Rafah-Offensive das Verhältnis zwischen Jerusalem und Kairo gefährden könnte, bleibt jedoch abzuwarten. Grundsätzlich ist zu bemerken, daß bislang kein arabischer Staat seine Beziehungen zu Israel wegen des Gaza-Kriegs abgebrochen hat.

Hinausgezögert werden könnte die Offensive noch durch einen weiteren Deal zwischen Israel und der Hamas, wie es ihn Ende November gegeben hatte: eine Feuerpause im Gegenzug für die Freilassung der verbliebenen 130 Geiseln. Schon länger laufen indirekte Gespräche. Großer Streitpunkt ist die Forderung der Hamas nach einem Kriegsende; aus israelischer Sicht käme das einem Abbruch mitten im Kampf gleich. Zudem geht es um die Frage, wie viele Terroristen Israel im Gegenzug für die Geiseln freilassen muß.