© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 08/24 / 16. Februar 2024

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Allerlei so ganz nebenbei
Paul Rosen

Zunächst schien es nur ein Einzelfall ohne größere Bedeutung zu sein. Eine Referatsleiterin des Bundesfinanzministerium (BMF) hielt einen Vortrag beim Seminar einer bekannten Anwalts- und Steuerkanzlei in der Nähe von Frankfurt am Main. Doch nachdem in der Presse weitere Details bekannt wurden, bekam die Sache ein Geschmäckle: Die Beamtin ist für die Vermögen- und Erbschaftsteuergesetzgebung zuständig und nimmt in dieser Eigenschaft auch regelmäßig an den Sitzungen des Finanzausschusses des Bundestages teil, wo Steuerrechtsänderungen vorbereitet und beschlossen werden. Bei den Zuhörern des Vortrags der Top-Beamtin soll es sich um Millionäre und Milliardäre gehandelt haben, die von dieser Kanzlei beraten und betreut werden.

Kein Einzelfall, ist inzwischen klar. Aufgrund einer Anfrage des CDU-Abgeordneten Matthias Hauer, der einer der präzisen Fragesteller im Bundestag ist und die Regierung schon mehrfach in Verlegenheit bringen konnte, wurde bekannt: Ministerialbeamte der Bundesregierung sollen mit Nebentätigkeiten wie zum Beispiel Vorträgen nach Art der BMF-Referatsleiterin seit Amtsantritt der Ampel insgesamt rund zwei Millionen Euro an Honoraren erhalten haben. Und man räumt ein, daß in diesem Zeitraum 2.136 Genehmigungen für Nebentätigkeiten erteilt beziehungsweise Anzeigen für nicht genehmigungspflichtige Nebentätigkeiten entgegengenommen wurden. 

Allerdings dürfte es sich hierbei nur um die Spitze des Eisberges handeln. Denn eine Reihe von Ministerien konnte nicht einmal angeben, wie viele Genehmigungen für Nebentätigkeiten erteilt beziehungsweise wie viele Nebentätigkeiten angemeldet wurden. Und da, wie der Volksmund sagt, der Fisch immer vom Kopf zu stinken anfängt, fiel besonders das Kanzleramt von Olaf Scholz (SPD) auf, das keine Angaben zur Zahl der Nebentätigkeiten seiner Mitarbeiter und zur Höhe der vereinnahmten Honorare machen konnte.

Weil die Steuern in Deutschland besonders hoch sind und Möglichkeiten zu ihrer Vermeidung oder wenigstens Reduzierung auf besonderes Interesse stoßen, wundert es nicht, daß die meisten der Genehmigungen und Anzeigen für Nebentätigkeiten im Finanzministerium registriert wurden; nämlich 445 seit Beginn der Ampel-Koalition. Im Justizministerium waren es 206, im Auswärtigen Amt 199 und im Wirtschaftsministerium 183. Auch bei der Höhe der gemeldeten Einkünfte liegen die Beamten des Finanzministeriums mit gemeldeten Nebeneinkünften von 715.000 Euro an erster Stelle, gefolgt von Mitarbeitern des Wirtschaftsministeriums mit 592.000 Euro.

Für CDU-Mann Hauer werfen gerade die „üppigen Einkünfte“ aus Nebenjobs in den Häusern von Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Fragen auf. Die Regierung müsse sicherstellen, daß es durch die Nebentätigkeiten zu keiner Beeinträchtigung von dienstlichen Interessen komme, forderte Hauer in einem Interview.