Eine Menge Leute im Saarland sind der Meinung, für das kleinste deutsche Flächenland mit nicht einmal einer Million Einwohner würde es ein – günstigeres – Feierabendparlament auch tun. Doch ungeachtet solcher Erwägungen haben sich 51 Berufspolitiker in der vergangenen Woche einem besonderen Thema gewidmet. Mit deutlicher Mehrheit strichen sie den Begriff Rasse aus der Verfassung des Landes.
Nun kommt es wahrscheinlich nicht allzu häufig vor, daß die Menschen sich die Verfassung ihres Bundeslandes durchlesen. Die SPD-Abgeordnete Kira Braun war dennoch regelrecht begeistert. „Unsere Verfassung ist modern, richtungsweisend und verständlich. Wir sorgen heute dafür, daß sie das auch bleibt“, sagte sie und erhielt Unterstützung vom CDU-Kollegen Roland Theis. Er sprach von einem „wichtigen Signal“. Diese Einmütigkeit ist keine Überraschung. Die SPD regiert alleine, das Verhältnis zur CDU ist dennoch gut.
Am Wochenende zuvor demonstrierte man schließlich gemeinsam gegen Rechtsextremismus. Gemeint war die AfD, die im Landtag mit drei Abgeordneten die kleinste von nur drei Fraktionen stellt. Sie stimmte dort übrigens gegen die Änderung der Verfassung. In deren Artikel 12 heißt es nun, daß niemand „aufgrund rassistischer Zuschreibungen“ benachteiligt oder bevorzugt werden darf. In einem nächsten Schritt will man auch eine Klausel gegen Antisemitismus in die Verfassung einbauen. Zudem wurde die Nachhaltigkeit einmütig zum Staatsziel erklärt.
Da wundert es nicht, daß sich die Vertreter von SPD und CDU bei der Anti-AfD-Demo in Saarbrücken regelrecht um Redezeit-Minuten balgten. Die FDP hatte nach einer ersten Demo einen Rückzieher gemacht, nachdem offenkundig wurde, daß neben allerlei aufgeregten Bürgern auch einige Schlachtenbummler aus der militanten linken Szene unterwegs waren. CDU-Chef Stephan Toscani, dem eigene Parteifreunde bescheinigen, er sei als Oppositionsführer der Muster-Schwiegersohn jeder Regierung, mahnte, man müsse Extremisten gleich welcher Couleur bekämpfen. Auf der Demo in Saarbrücken sprach er trotzdem. Die roten Fahnen der linksextremen DKP wird er wohl übersehen haben.
Kaum aber hatte man im Saarland, das ja erst Anfang 1957 in der „kleinen Wiedervereinigung“ Teil der Bundesrepublik wurde, die „Rasse“ wie bereits zuvor in Brandenburg und in Thüringen gestrichen, verlautete aus Berlin: Der umstrittene Begriff bleibt im Grundgesetz. Darauf hätten sich Informationen der Rheinischen Post zufolge die Ampel-Parteien geeinigt. Und das, obwohl es in ihrem Koalitionsvertrag von 2021 heißt: „Wir wollen den Gleichbehandlungsartikel des Grundgesetzes um ein Verbot der Diskriminierung wegen sexueller Identität ergänzen und den Begriff ‘Rasse’ im Grundgesetz ersetzen.“
Wie kommt’s zu diesem Umdenken? Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hatte sich gegen die Streichung ausgesprochen, weil das Wort an die Verfolgung und Ermordung von Millionen Menschen, „in erster Linie Jüdinnen und Juden, an die Schrecken der Schoa“ erinnere. Auch die Union im Bundestag hatte Bedenken bezüglich einer Änderung geäußert.