In Rolf Stolz’ Roman „Estonia“ macht sich der Ingenieur Tobias Kruch im Auftrag seiner Geliebten Gabriele nach Estland auf, um herauszufinden, was mit dem vermißten Schriftsteller Thomas Färber, Gabrieles Ehemann, geschehen ist. Färber hatte angegeben, er wollte die Umstände des mysteriösen Untergangs der Ostseefähre aufklären. Schnell gerät Kruch dabei in ein verdecktes Spiel des estnischen Geheimdienstes und der russischen Mafia. Beide observieren ihn, er wird für einen feindlichen Spion oder investigativen Journalisten gehalten, der über die tatsächlichen Gründe zum Untergang der Fähre Estonia und die Rolle des estnischen Staates recherchiert.
Was Thomas Färber zuvor beabsichtigte, war in Wirklichkeit nichts anderes als das Sammeln von Eindrücken und Erlebnissen, mit denen er das Rohmaterial für einen neuen Roman zusammentragen wollte. Er reiste durch die verschiedenen Landstriche Estlands, sprach mit Schriftstellerverbänden, hielt Vorträge und Lesungen zu Literatur und seiner eigener Lebensgeschichte, die er als Idealbild eines reinen Künstlers darstellte. Die Treffen mit seinen literarischen Partnern waren von einer nicht zu erklärenden Fremdheit begleitet.
Mit den Ursachen des Untergangs der Fähre Estonia hatte er nichts im Sinn, auch weil er keineswegs zu kriminalistischem Spürsinn neigt. Dennoch wurde er bei verschiedenen Gelegenheiten mit den Ereignissen des Unglücks konfrontiert. Er enthielt sich aber grundsätzlich jeder Kommentierung. Von Anfang an wurde seine Reise mit größtem Mißtrauen seitens gewisser Geheimdienste begleitet, und Färber hatte mehrmals den Eindruck, daß man ihn beobachtete und ihm nachstellte. Zurück in Tallinn stellten ihn seine Verfolger und er sollte einem tragischen Schicksal entgegengehen.
Tobias Kruch ist inzwischen schon in Estland unterwegs, um ihn aufzuspüren. Von Gabriele weiß er, daß Färber eine Lesung im „Tallinner Deutschen Kulturinstitut“ halten sollte, wohin er sich sofort begibt. Färber hatte diese Lesung aber schon absolviert. Weitere Nachforschungen ergeben, daß er ganz plötzlich danach verschwunden sei. Kruch hat den Eindruck, daß alle etwas wissen, niemand aber etwas sagen wolle.
Er entscheidet, selbst eine Veranstaltung im Institut zu besuchen. Beim Hineinkommen in den Saal erblickt er eine rot-blonde Frau in der ersten Reihe. „Du bekommst was du brauchst“, lächelt er leicht und er nimmt sofort neben Swetlana Platz. Beim Treffen am nächsten Tag macht sie ihm überraschenderweise das Angebot, bei ihr zu wohnen. Da kann Kruch nicht nein sagen, womit auch ihm ein tragischer Weg beschieden ist.
Rolf Stolz: Estonia – Eine Nachfahrt. Roman. Epubli Verlag, Berlin 2023, broschiert, 140 Seiten, 12,99 Euro