© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/24 / 09. Februar 2024

Ein Herz für Papa
Kino I: „The Persian Version“ ist ein Film über iranische Emigranten, der unkonventioneller sein will, als er ist
Dietmar Mehrens

Sie ist stur, sie ist selbstsüchtig, und es gibt keine Regel, die sie nicht brechen möchte – so beschreibt die Exil-Iranerin Shireen (Niousha Noor) ihre aufsässige Tochter Leila (Layla Mohammadi). Wenn Shireen sieht, daß ihre Tochter Basketball spielt und ihr Sohn ausgerechnet als Cheerleader um Aufmerksamkeit buhlt, verlassen sie sämtliche Selbstbeherrschungskräfte. Leila scheint es allerdings auch besonders darauf anzulegen, ihre Mutter in den Wahnsinn zu treiben. Erst liebt sie eine Frau, von der sie jedoch verlassen wird, und dann bekommt sie ein Kind von einem Mann, mit dem sie nichts verbindet außer der Nacht, in der sie schwanger wurde. Und der ist auch noch Ausländer. Allerdings ist es als Perserin in einem Einwanderungsland nicht ganz einfach, zu definieren, was ein Ausländer ist.

Komödie nach dem Muster „Zusammenprall der Kulturen“

1967 verließen die Eltern von Leila und ihren acht Geschwistern ihr Heimatland Iran, weil in den USA infolge des Vietnamkriegs Fachkräftemangel herrschte. Leilas Vater Ali Reza (Bijan Daneshmand), von Beruf Mediziner, eröffnete eine Praxis im New Yorker Stadtteil Brooklyn, zunächst mit einer Arbeitsgenehmigung für fünf Jahre; die wurde dann immer wieder verlängert. Und nach dem Sturz des Schahs und der iranischen Ayatollah-Revolution entschied man dann, in den USA zu bleiben. So weit die offizielle Version der Familiengeschichte, wie sie Leila, die gern beim Film arbeiten würde und sich selbst nach einem bekannten US-Regisseur als „iranisch-amerikanischen Scorsese“ bezeichnet, aufgetischt wurde.

Doch eines Tages eröffnet ihre Großmutter der jungen Schwangeren, daß in dieser Version ein paar wesentliche Puzzleteile fehlen: Da wäre die Zweitfrau, mit der sich ihre Mutter in der persischen Heimat abfinden sollte, es aber nicht tat. Da wäre eine bedrohliche Situation, herbeigeführt durch eine Schußwaffe, die aus dem Zweitfrau-Eklat resultierte. Da wäre die wahre Identität eines ihrer Brüder. Und da wäre der entscheidende Auslöser für die Emigration in die Vereinigten Staaten.

Als die ganze Familie nach einem Zusammenbruch des Vaters wieder in Brooklyn zusammenkommt, dieser aber aus religiösen Gründen eine Herztransplantation verweigert, wird Shireen klar, daß auch ihr, genau wie ihrer Tochter Leila, viele Regeln mißfallen, die Religion und Tradition persischstämmigen Menschen auferlegen. Und als das Familiengeheimnis gelüftet wird, das die „persische Version“ unter einem Mantel des Schweigens verborgen hat, kommen Parallelen zwischen Mutter und Tochter ans Licht, von denen Leila bislang nichts geahnt hat.

Maryam Keshavarz (Buch, Regie, Produktion) verfilmte mit „The Persian Version“ Teile ihrer eigenen Familiengeschichte. Etliches an dem Film vermeint man, bereits anderswo gesehen zu haben. Auch der Versuch, durch alberne Verfremdungseffekte und eine verschachtelte Erzählweise, bei der die Jahrzehnte durcheinandergewirbelt werden wie bei einem Sturm in der iranischen Steppe, irgendwie unkonventionell rüberzukommen, ändert an diesem Gesamteindruck nichts: „The Persian Version“ ist nur die x-te Variation dessen, was Cineasten eine „Culture-clash“-Komödie nennen.

Das sahen allerdings die Juroren des 39. Sundance Film Festival, auf dem der Film seine Weltpremiere feierte, ganz anders. Hier wurde die Migrantentragikomödie voriges Jahr mit dem Drehbuch- und dem Publikumspreis ausgezeichnet. Überraschend ist das nicht. Denn das von dem US-Schauspieler Robert Redford ins Leben gerufene Festival befindet sich fest in der Hand einer kulturmarxistisch geprägten Avantgarde. Ein Eine-Welt-Drama, das das Thema Frauenemanzipation mit Kritik am repressiven Mullah-Patriarchat übt und nebenbei auch noch für LGBT-Rechte eintritt, ist in diesen Kreisen so etwas wie eine eierlegende Wollmilchsau. So schlecht erzählt kann mit diesen Ingredienzen kein Film sein, als daß nicht trotzdem irgendein Preis drin wäre.