© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/24 / 09. Februar 2024

Zum Lachen gezwungen
Publizistik: Henryk M. Broder und Reinhard Mohr in der Bibliothek des Konservatismus
Kuba Kruszakin

Noch sind Henryk M. Broder und Reinhard Mohr nicht da. Doch 20 Minuten vor sieben mangelt es in der Bibliothek des Konservatismus an freien Plätzen – so sehr, daß die Mitarbeiter zusätzliche Stühle aufstellen müssen. Trotz des Andrangs bleibt die Atmosphäre unter den Besuchern entspannt. Sie grüßen einander freundlich und führen heitere Gespräche. Der gesamte Abend soll heiter bleiben.

Es war die Ampel, die alle Genannten zusammengebracht hat. Konkret: ein Buch von Broder und Mohr, welches die Politik der vergangenen zwei Jahre auf die Schippe nimmt, eine satirische Reise „Durchs irre Germanistan“, so der Titel (JF 43/23). Ein Potpourri aus medialen Fehlern der Bundesregierung samt daran beteiligter Parteien. Und eine Ansammlung von Debatten, die die Berichterstattung der vergangenen Jahre geprägt haben.

„Ich trauere nur der Zeit bei den St.-Pauli-Nachrichten nach“

„Ich heiße Sie ganz herzlich willkommen zur Gründung der Arbeitsgemeinschaft ‘Sozialdemokraten am Rande des Zusammenbruchs‘“, beginnt Broder und provoziert damit sofortiges, lautes Gelächter des Publikums. Mohr fügt hinzu, daß es in dem gemeinsamen Buch auch um das Erbe von Angela Merkel ginge. Anders als andere es tun wollten die Autoren mit Ironie und Sarkasmus arbeiten, erzählt Mohr. Und versichert: „Sie werden an manchen Momenten zum Lachen gezwungen.“

Die Lesung beginnt mit dem Vorwort des Buches. Darin reißen die Publizisten den von ihnen wahrgenommenen „täglichen Wahnsinn“ in kurzen Häppchen an. So sei beispielsweise das Einzige, was unter dem sozialdemokratischen Bundeskanzler Olaf Scholz zu „immer neuer Blüte“ reife, die „Massenproduktion hohler Phrasen“, sei es der „Doppelwumms mit angezogener Strompreisbremse und zugedrehtem Gasdeckel“ oder „You‘ll never walk alone“, welches aufgrund der schlechten Pisa-Ergebnisse eher als „you’ll never learn alone“ umgeschrieben werden solle. Die kurzen Anspielungen kommen bei den Zuhörern gut an – ebenso wie gezielte Sticheleien gegen die Ampel-Politiker. Das Buch müsse natürlich mit einem Kapitel über Karl Lauterbach anfangen, merkt Broder an, denn alles andere würde „viele Erwartungen enttäuschen“.

Zumeist gehe es aber darum, „die Kleinigkeiten des Alltags freundlich und gnadenlos“ auseinanderzunehmen. Dazu gehört unter anderem das Gendern: Jedes Mal, wenn einer der beiden das „-innen“ betont, folgt reflexartiges, lautes Lachen im Saal. Sobald die Geldstrafe gegen Bayer Leverkusen erwähnt wird, die der Deutsche Fußballbund wegen des Fanspruchs mit „nur zwei Geschlechtern“ erhoben hat, wirft Mohr den Fußballfunktionären eine „Torphobie“ vor. Als er einen Essay über „kulturelle Aneignung“ von Mexikanern vorliest, fällt ihm ein, auch das „Tipi am Kanzleramt“ müßte verbannt werden. Und als eine Debatte um Hexenverfolgung in Subsahara-Afrika erwähnt wird, unterbricht Broder: „Gewiß ein Randthema, nicht nur die Hexen.“

Historische Anspielungen prägen das Programm ebenfalls – unter anderem bei dem Vorschlag von  Innenministerin Nancy Faeser, Geschichte im Rahmen der potentiellen Olympischen Spiele in Berlin „begleitend“ aufzuarbeiten. „Ich finde es lustig, wenn manche wie bei ‘Zurück in die Zukunft‘ die Geschichte umschreiben wollen“, kommentiert Broder die Idee, mit diesen zu zeigen, wie es 1936 hätte aussehen sollen – „mit Regenbogen- statt Hakenkreuzfahnen“. Als der Name der Sketchserie „Was der Großvater noch wußte“ aus der „Harald Schmidt Show“ fällt, versucht Mohr, Hitlers Stimme zu imitieren.

Auch Anspielungen an aktuelle Demonstrationen gegen die AfD fehlen nicht. „Sie sehen, wie wichtig es ist, gerade in diesen Tagen“, spottet Mohr, bevor er den Text des DDR-Agitationsliedes „Sag mir, wo du stehst“ rezitiert. Als ein Essay über den Begriff „Zivilgesellschaft“ und dessen Kampf gegen Rechtsextremismus vorgelesen wird, fügt Broder hinzu: „Das war vor Jahren – noch vor dem Geheimtreffen in Potsdam.“

Bisweilen wird seine Kritik ernster. Während der Fragerunde nennt er Demonstranten, die mit durchgestrichenen Hakenkreuzen durch die Gegend laufen, „gestörte Cretins“ mit der „unglaublichen Affinität“ zu dem Symbol der Nationalsozialisten. Ihr Verhalten würde Parallelen zur „Massenpsychologie des Faschismus“ von Wilhelm Reich aufweisen. Er beklagt, daß es den Protestierenden nicht mehr nur um Rechtsextremismus, sondern um „Rechts“ gehe: „Eine Demokratie ohne Rechts gibt es nicht!“ Das Publikum applaudiert.

Broder prangert auch Doppelmoral im Umgang mit dem Islamismus an. Als Beispiel nennt er den Fall Hamed Abdel-Samad, eines Politikwissenschaftler, der aufgrund von Morddrohungen nicht mehr in Deutschland lebt: „Die Einsicht, daß er vor allem von seiner eigenen Kultursphäre bedroht wird, hat sich bei vielen noch nicht durchgesetzt.“ Im Kontext der Pro-Hamas-Unruhen beklagt der jüdische Publizist Lippenbekenntnisse zum Kampf gegen jeden Antisemitismus ohne Täternennung: „Das ist der Moment, wo ich mich frage, wann es das letzte Mal ein Pogrom gegen Juden in der Nähe einer Kirche gab.“

Zudem seien die Meinungskorridore in den letzten Jahren enger geworden. Mohr, der einst für die linke tageszeitung geschrieben hat, habe dies zu spüren bekommen: „Es ist ein Problem, wenn man als freier Autor mit gewissen Interessen nur für die Welt und Neue Zürcher Zeitung schreiben darf.“ Er habe versucht, für andere Zeitungen zu schreiben, doch es bestünde kein Interesse.

Zu ihrer linken Vergangenheit stehen die Autoren dennoch. „Das Schöne am Menschen ist, daß er die Richtung ändern kann“, betont Mohr. Sein Kollege Broder, der einst unter anderem für den Spiegel tätig war, bemerkt: „Ich trauere nur der Zeit bei den St.-Pauli-Nachrichten nach.“ Und sagt, er sei inzwischen beim Axel-Springer-Verlag sehr gut aufgehoben.

Bibliothek des Konservatismus

 www.bdk-berlin.org

Henryk M. Broder/Reinhard Mohr: Durchs irre Germanistan. Notizen aus der Ampel-Republik. Europa Verlag, München 2023, gebunden, 256 Seiten, 20 Euro