Wie die Rezeption der deutschen literarischen Romantik und ihre kulturpolitische Instrumentalisierung während der NS-Zeit ablief, hat der Berliner Germanist Ralf Klausnitzer in seinem Standardwerk „Blaue Blume unterm Hakenkreuz“ (Paderborn 1999) ausführlich dargestellt. Doch die Romantik war ein europäisches Epochen-Phänomen, so daß sich auch andere neuphilologische Fächer wie die Anglistik, Romanistik oder Slawistik zu ideologisch ausgerichteter Bearbeitung dieses Themenfeldes herausgefordert fühlten. Darüber ist indes wenig bekannt, wie der Anglist Tim Sommer (Passau/Oxford) beklagt, der darum mit seiner Studie über „Anglistische Romantikforschung im nationalsozialistischen Deutschland“ (Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen, 2/w2023) Neuland betreten will. In ihrem Bemühen, ihr Fach dem Regime auch jenseits bloßer Sprachvermittlung als so „nützlich“ wie jede Naturwissenschaft anzudienen, haben Anglisten bis 1939 die an Spätromantikern wie dem schottischen Literaturkritiker Thomas Carlyle festgemachten „wesensverwandten“ Züge zweier „germanischer Völker“ konturiert. Mit Kriegsbeginn 1939, als die deutsche Anglistik am „Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften“ mitwirkte, hob sie hingegen radikal-liberale, gemeinschaftsfeindliche und materialistische Elemente in der Dichtung britischer Romantiker hervor. Moralische Urteile Nachgeborener über solche willfährigen Umdeutungen seien jedoch billig, da heute „rechtsradikale Lektüreansätze mit Bezug auf die Romantik“ erneut zu „Vermischungen von politischer und akademischer Sphäre“ führen könnten.