Kein anderes Thema spaltet die internationale Kunst- und Kulturszene heute so tief wie das Thema Israel. Zwar heizte es bereits lange vor dem am 7. Oktober 2023 verübten Überfall der palästinensischen Terrororganisation Hamas viele Konflikte in der Kulturwelt an, löste Boykotte und Gegenboykotte, Rücknahmen von Preisen, Absagen von Ausstellungen und Aufführungen aus. Doch erst seit dem 7. Oktober 2023 „zerreißt der Konflikt die Szene“, wie der israelisch-deutsche Pädagoge und Publizist Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main, den seitdem erbittert ausgefochtenen Kampf resümiert, bei dem es darum gehe, die Deutungshoheit nicht nur über das Verhältnis zum jüdischen Staat, sondern zu „den Juden“ überhaupt zu erlangen. Gerade in der Kunstwelt trete der „als links-progressiv getarnte Israelhaß“ kraß hervor. Dieser tobe sich dort so ungehemmt aus, weil in diesem Milieu die Neigung zu Komplexitätsreduktionen und Gut-Böse-Klischees scharf ausgeprägt sei. Entsprechend schablonenhaft gerate dessen „Kunst“, soweit sie sich als „politisch“ verstehe. Es sei kein Zufall, daß in einer Szene, die aggressiv und vulgär für die Rechte angeblich marginalisierter Minderheiten agitiere, Juden tendenziell schlechte Karten hätten. Denn im Feindbild der „Woken“ erscheinen sie als weiß und privilegiert, so daß sie nicht zu den unterdrückten Minderheiten rechnen. Und doch dürfe sich auch antisemitische Kunst auf die grundgesetzlich verbürgte Kunstfreiheit berufen, da ein liberaler Staat nicht alles rechtlich sanktionieren sollte, was er politisch verurteile (Blätter für deutsche und internationale Politik, 2/2024).