Sieben Geschosse inklusive Tiefgarage, Schwimmbad. 45 Zimmer auf 5.782 Quadratmetern mit Blick auf den Hyde Park: Mehr als 200 Millionen Pfund soll das Londoner Haus 2–8a Rutland Gate des chinesischen Milliardärs Hui Ka Yan einbringen. Ein Tropfen auf den heißen Stein, denn dessen Immobilienkonzern Evergrande hat Verbindlichkeiten von 300 Milliarden Dollar, was zwei Prozent von Chinas Wirtschaftsleistung entspricht. Hui kann seine Immobilie derzeit nicht nutzen, denn er ist in Obhut der chinesischen Behörden verschwunden. Was ihm vorgeworfen wird, ist unklar. Aber 1,5 Millionen Chinesen haben Wohnungen von Evergrande gekauft, die noch gebaut werden müssen. In China beginnen Hypothekenzahlungen zum Zeitpunkt des Kaufs, entsprechend viele verärgerte Bürger gibt es.
Ein Gericht in Hongkong ordnete am 29. Januar die Auflösung des Konzerns an, nachdem das Unternehmen seinen Gläubigern keine ernsthaften Sanierungsvorschläge machen wollte. Evergrande ist nur ein Teil eines wesentlich größeren Immobilienproblems. Um landwirtschaftliche Flächen zu bewahren, bevorzugt Peking Wohntürme. Die zu bauen ist kapitalintensiv, was die Entstehung großer Immobilienkonzerne begünstigte. Über 150 davon gibt es mit Verbindlichkeiten von drei Billionen Dollar. Mit „drei roten Linien“ versuchte Peking Immobilienspekulationen einzudämmen, löste damit und den kurz danach einsetzenden Null-Covid-Maßnahmen aber einen Immobiliencrash aus. Die Wirtschaft erholte sich deshalb nach Corona nie richtig. Verschärft wurde die Lage durch Angriffe auf die Technologiebranche, die Ex-KP-Chef Jiang Zemin nahestand, und aggressive Maßnahmen gegen Ausländer, die sich zunehmend zurückziehen. Die Rhetorik von Partei- und Staatschef Xi Jinping über eine Wiedervereinigung mit Taiwan noch in seiner Generation verunsichert ausländische Anleger, die noch die Auswirkungen der Rußland-Sanktionen in Erinnerung haben: Milliarden wurden aus dem chinesischen Aktienmarkt abgezogen. Auch Chinesen flüchten in ausländische Aktien, was aber aufgrund der Kapitalverkehrskontrollen nur begrenzt möglich ist. Seit der Spitze Anfang 2021 sind chinesische Aktien um fast zwei Drittel gesunken. Der Wertverlust von zwei Billionen Dollar ist so hoch wie der gesamte Marktwert deutscher Aktien. Viele Immobilienaktien sind um 95 Prozent und mehr gesunken, Evergrande wurde nach 96,4 Prozent Kursrückgang von der Börse genommen.
Jetzt herrscht Panikstimmung bei den KP-Planwirtschaftlern in Peking, deren Legitimität auf wachsendem Wohlstand beruht. 2023 wurden fast im Wochenrhythmus fiskalische und monetäre Förderprogramme angekündigt, zunächst nur für den Wohnungsmarkt. In diesem Jahr folgen nun auch Vorschriften zur Stabilisierung des Aktienmarkts: Vermögensverwalter wurden angehalten, nicht zu verkaufen, ein Stabilisierungsfonds wurde angekündigt, schließlich Leerverkäufe verboten. Erfahrungsgemäß helfen derartige Verzweiflungstaten wenig, wenn Anleger glauben, daß das Schlimmste noch kommt. Das große Risiko für China ist nun, daß es wie in Japan zu einer Deflation kommt. Die Regierung dürfte bald eine Strategie des Kopf-in-den-Sand-Steckens in Verbindung mit Gelddrucken umsetzen. 1997 meisterte sie die Krise, indem Verluste in Bilanzen versteckt wurden. Damals war es aber noch stärker als heute eine Kommandowirtschaft. Pandas mögen niedlich sein, der chinesische Bärenmarkt ist aber alles andere als das.