© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/24 / 09. Februar 2024

Ermittlungsergebnis der Woche
Ein Griff ins Klo
Christian Vollradt

Seit Jahrzehnten vermißte Personen, flüchtige Mörder, längst verschollenes Diebesgut: Was als unaufgeklärter Fall über einen langen Zeitraum in Aktenschränken der Kriminalpolizei Staub angesetzt hat, wird vielleicht eines Tages als sogenannter „Cold Case“ wieder mal erneut zur Fahndung hervorgeholt. Nicht zuletzt wegen solcher Fälle erfreut das Genre der „True-Crime-Podcasts“ – also im Prinzip eine „Aktenzeichen-XY-ungelöst“ ohne ZDF, aber zum Hören – so großer Beliebtheit. Ein wirklich dramatischer (k)alter Fall ist soeben in Thüringen an die Oberfläche befördert worden. Zwischen 2010 und 2012 war das Landeskriminalamt des Freistaats bisher ohne Erfolg einem Verbrechen auf der Spur, das bundesweit für Schlagzeilen sorgte. Es ging um nicht weniger als den Diebstahl von Toilettenpapier. Und zwar in ebendieser Behörde. Der schreckliche Verdacht: Einer in den eigenen Reihen könnte den mehrlagigen Zellstoff vom stillen Örtchen der Ordnungshüter entwendet haben. Wie nun herauskam, hatten die Ermittler beim Versuch, den Dieb dingfest oder -flüssig zu machen, reichlich Überwachungstechnik angeschafft. So berichtet die Thüringer Allgemeine auf Basis der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage des Linken-Landtagsabgeordneten Sascha Bilay, es seien seinerzeit 2.150 sogenannte RFID-Etiketten angeschafft worden, mit denen auch Einzelhändler ihre Ware sichern. So hätte ein Alarm ausgelöst werden können, sobald das Klopapier auf anderen Wegen als durch die Spülung das Amt verlassen hätte. Hätte. Denn in Erfurt mußte man einräumen, daß die Etiketten stets nur im Lager des Landeskriminalamtes lagen und nie zum Einsatz kamen. Folglich teilte die Keramikabteilung mit: „Der oder die Tatverdächtige konnte nicht ermittelt und demnach nicht verurteilt werden.“ Vielleicht ging den Beamten die Sache auch sprichwörtlich am A... vorbei.