Eine skandalfreie Behörde war das Bundesamt für Verfassungsschutz nie. Der erste Chef trat vor 70 Jahren im damaligen Ost-Berlin eine Zeit lang als Propaganda-Helfer des SED-Regimes auf, rund 20 Jahre später stürzte ein Nachfolger über die Affäre des im Umfeld von Bundeskanzler Willy Brandt tätigen DDR-Spions Günter Guillaume. Mitte der achtziger holte einen ehemaligen Präsidenten die Schlamperei ein, daß der unter ihm ausgerechnet für die Spionageabwehr tätige Gruppenleiter munter für die Stasi spitzelte und schließlich gen Osten türmte. In Erinnerung ist auch der einstige Behördenchef Ludwig-Holger Pfahls, der nach seiner Karriere im Amt wegen Vorteilsnahme und Steuerhinterziehung ins Gefängnis wanderte.
Ein Novum als Aufreger dürfte allerdings sein, was vergangene Woche bekannt wurde: Der Bundesverfassungsschutz hat seinen ehemaligen Chef Hans-Georg Maaßen als Beobachtungssubjekt im Bereich Rechtsextremismus abgespeichert. Der bis 2018 amtierende Präsident selbst hat diesen wohl einmaligen Vorgang im Hause seines Nachfolgers und ehemaligen Stellvertreters Thomas Haldenwang öffentlich gemacht.
Auch das Lob von anderen wirkt sich verhängnisvoll aus
Auf seiner Internetseite präsentierte Maaßen das Schreiben des BfV an seinen Anwalt, der ein sogenanntes Auskunftsersuchen gestellt hatte. Darin aufgelistet, was die Nachrichtendienstler ihrem ehemaligen Vorgesetzten vorhalten. Darunter: Verbindungen zur „Reichsbürger-Szene“. Konkrete Kontakte nannte der Verfassungsschutz nicht, außer einer Veranstaltung des „Bünder Forums“ im April 2023. Daran nahm neben Maaßen ein Frankfurter Unternehmer teil, der als Zeuge im Prozeß um Heinrich XIII. Prinz Reuß und seine mutmaßlichen Putschvorbereitungen fungiert (JF 49/23).
Zudem habe Maaßen in einer Talkrunde bei Servus-TV im Dezember 2022 die Maßnahmen gegen Reuß als unverhältnismäßig kritisiert. In einem Artikel für die Schweizer Weltwoche warf Maaßen den Behörden vor, die Verdächtigen für einen „PR-Coup“ zu benutzen. Und Anfang vergangenen Jahres kommentierte er auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: „Die größte Gefahr für die innere Sicherheit sind weder Reichsbürger noch gewalttätige Migranten, sondern unfähige und unwillige Politiker, die regieren.“
Das zwanzigseitige Schreiben verweist außerdem auf eine Rede bei der Mitgliederversammlung der Werteunion, in der Maaßen die heutige Parteienlandschaft als eine den Grünen unterstehende „Blockpartei“ bezeichnete. Aufgeführt wird auch, daß er randalierende Migranten in Deutschland und Frankreich als ein „Ergebnis der zielgerichteten ideologischen Migrationspolitik der politischen Linken“ nannte. Ebenso kritisch bewertet: Vergleiche zwischen der grünen Politik und der maoistischen Kulturrevolution in China.
Auch „antisemitische Chiffren“ soll der einstige BfV-Präsident benutzt haben, beispielsweise in einem Aufsatz für Cato. Darin warnte er vor „undemokratischen, totalitären supranationalen Systemen“ und nannte den aufkommenden Totalitarismus ein Ziel „globalistischer Kräfte“. Neben den Äußerungen seines ehemaligen Chefs hat der Verfassungsschutz auch notiert, wer Maaßen lobte, etwa die Führungsfigur der Identitären Bewegung, Martin Sellner.
Der Betroffene erhob daraufhin schwere Vorwürfe gegen Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Sie mißbrauche den Verfassungsschutz „zur Bekämpfung politischer Gegner“, beklagt Maaßen. Als „ein gutes Zeichen“ bezeichnete dagegen die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Andrea Lindholz, das nachrichtendienstliche Verfahren. Sie sei „fassungslos über die Entwicklung, die er genommen hat“, teilte sie der dpa mit Blick auf den ehemaligen Parteifreund mit.