Dichter Nebel am frühen Morgen, die gespenstische Ruhe auf der menschenleeren Strandpromenade von Travemünde wird jäh unterbrochen. Hundert Meter weiter wartet ein herrenloser Traktor mit Anhänger bei laufendem Motor auf seinen Fahrer, der konzentriert mit einer Zange Zigarettenkippen aufpickt. Zwei elektronische Säulen, die Feuchtigkeit, Wasser- und Lufttemperaturen anzeigen, sind nach dem letzten Sturm repariert worden. Auf den draufgeklebten überflüssigen Hinweis „Make love – not war“ hatte man endlich verzichtet.
Es ist Wochenende. Eine Menschentraube in Nähe der Mole erregt zunächst unsere Neugier, aber schnell geht uns ein Seifensieder auf: Delphin Delle ist nach mehrmonatiger Abwesenheit in seine gewohnte Umgebung zwischen Lotsenstation und gegenüberliegendem Segelschulschiff „Passat“ zurückgekehrt. Gerade hatten wir uns unter die Schaulustigen gemischt, als Delle auch schon ein paar Luftsprünge zeigt.
Die Zuschauer erwarten, daß Delle hinüber zur Fähre schwimmt und sich in der Bugwelle vergnügt.
„Ohs“, „Ahs“ und begeistertes Kreischen der Kinder scheinen ihn zu erfreuen, denn er führt seinem Publikum weitere Flickflacks vor, ehe er abtaucht. Abwartende Stille. Von rechts nähert sich ein Finnliner.
„Delle wird zur Fähre schwimmen und sich in der Bugwelle vergnügen“, ruft ein Zuschauer, und schon setzt sich ein Trupp in Bewegung. Umsonst, Delle hält sich jetzt verborgen.
Neugierig fragen wir vier junge Männer, die mit riesigen Kameras auf Stativen zugange sind, ob sie erfolgreich waren. „Uns interessiert der Delphin nicht, wir warten auf einen jungen Papageientaucher“, sagt einer. „Der hat sich verflogen und verharrt drüben auf dem Priwall. Auf dem roten Rettungsring kann man ihn durch das Fernrohr sehen. Eine Sensation. Das hat sich unter den vernetzten Vogelkundlern schnell herumgesprochen, sogar aus München sind sie angereist.“
Was hätten wir da noch mehr genießen können? Ach ja: Das verlockende Angebot an der Tür eines Bistros: „Heute Sechs-Gänge-Menue zum Sonderpreis – 5 Bier und 1 Fischbrötchen.“