Am Montag lud Frank-Walter Steinmeier Unternehmervertreter und Gewerkschaftler ins Schloß Bellevue ein, um mit ihnen ein „Gespräch zum gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland“ zu führen. Denn es gebe „Unsicherheit und Besorgnis in unserem Land, und wir erleben zugleich, wie politische Extremisten diese Ängste planvoll schüren, um sie für ihre verantwortungslosen Pläne zu mißbrauchen“, so der Bundespräsident. Der DGB und der Arbeitgeberverband BDA veröffentlichen zeitgleich eine „Gemeinsame Erklärung gegen Rechtsextremismus“.
Arndt Kirchhoff kündigt Widerstand gegen ein Viertel des deutschen Wahlvolks an. Gegen all jene, die maßlos enttäuscht von den Ampel-Parteien und den Unionsschwestern sind und diese nicht mehr wählen wollen. Zwar gesteht der Präsident der NRW-Unternehmer in der Rheinischen Post der AfD noch eine „vermeintlich demokratische Fassade“ zu, aber diese verberge nur, daß diese Partei auch für die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit und Arbeitsplätze eine Gefahr darstelle. Der frühere Siemenschef Joe Kaeser warnt in den Medien des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND), dessen größte Kommanditistin die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft der SPD ist: „Nationalpopulistische Parteien bedrohen unseren Wohlstand.“
Die Vorstände müßten „jetzt Farbe bekennen gegen Rechts“ bekennen, fordert Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Bei einigen herrsche die Attitüde, die Politik müsse das alleine richten: „Das ist falsch, das müssen wir alle gemeinsam.“ Der Ökonom prophezeit bei weiteren AfD-Erfolgen den Verlust von Millionen Arbeitsplätzen.
„Unternehmer, wehrt euch gegen die AfD!“
Auch Adidas, BASF, Bahlsen, Bosch, Kaufland/Lidl, Mercedes, Rossmann, SAP, Telekom oder Zalando haben die üblichen Statements veröffentlicht. Edeka hat ein altes Kurzvideo mit dem Hinweis „Wir lieben Vielfalt und stehen auf gegen Rechts“ hervorgekramt, in dem alle ausländischen Produkte aus dem Sortiment verschwunden sind. Manche dürfte es eher an Filialen vor Geschäftsschluß erinnern: Viele Regale sind fast leer. „Extremismus und eine Rhetorik, die Ängste und Haß schüren, haben bei uns keinen Platz. Ebenso dulden wir weder Diskriminierung noch die Ausgrenzung von Teilen unserer Bevölkerung“, heißt es von Audi.
Klaus Geißdörfer, Chef der EBM-Papst-Gruppe, versichert: „Bei uns hat Haß, Hetze, Antisemitismus und Rassismus keinen Platz.“ Immerhin hat der Ventilatorenbauer aus Mulfingen im Hohenlohekreis den Mut, festzustellen: „Wir stellen uns gegen jegliche Art von Links- wie Rechtspopulismus.“ Die neue Initiative „Weltoffenes Thüringen“ unterstützt nicht nur Ministerpräsident Bodo Ramelow, sondern auch die Firmen Carl Zeiss, Jenoptik und Schott. Der überbezahlte Bahnchef Richard Lutz, dessen maroder Staatskonzern dem Steuerzahler auf der Tasche liegt, schreibt auf dem Karriereportal LinkedIn: „Der Aufstieg der extremen Rechten stellt eine ernste Gefahr für unser Land dar. Sie gefährdet unsere Demokratie, vergiftet unsere Gesellschaft, läßt Haß und Hetze wieder salonfähig werden.“ Peter Adrian, Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), formuliert: „Nur wenn sich engagierte Menschen aus aller Welt bei uns wohlfühlen, werden sie zu uns kommen.“ Und er verweist auf die DIHK-Resolution „#GemeinsamWeltoffen“, die schon 2018 beschlossen wurde.
Nur offene Grenzen würden den Wohlstand sichern, tönt es von Michael Hüther, Direktor des arbeitgeberfinanzierten Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), dessen Präsident „Widerständler“ Kirchhoff ist. Im Handelsblatt heißt es daher, unter führenden Ökonomen herrsche große Einigkeit, daß die Vorstellungen der AfD für die Wirtschaft hochproblematisch seien, daß Nationalismus und Abschottung das Herz des deutschen Geschäftsmodells träfen und solche Forderungen, so Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts, „wirtschaftspolitischer Unsinn“ seien. Auch erwartet die Gesellschaft „More Societal Engagement From Business, Not Less“, wird das Ergebnis des Edelman Trust Barometers 2023 zitiert. Dazu zähle auch die Forderung an Unternehmensführer, öffentlich eine klar positive Haltung zur Zuwanderung einzunehmen.
„Unternehmer, wehrt euch gegen die AfD!“, so titelt die Wirtschaftswoche schon Wochen vor Veröffentlichung der Correctiv-Kampagne einen Kommentar von Silke Wettach, Korrespondentin in Brüssel, die beklagt, daß nur „wenige Wirtschaftslenker“ Haltung gegen Rechtsextremismus und Populismus zeigten. Laura Eßlinger vom Wirtschaftsmagazin Capital, bläst ins gleiche Horn: „Jeder Wirtschaftsboß sollte sich gegen Rechts positionieren.“ Das Schweigen vieler Wirtschaftsbosse sei ohrenbetäubend und wie sich diese aus ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stählen, zugleich niederschmetternd und empörend. Der Vorwurf: Botschaften zu Themen wie Vielfalt oder nachhaltigem Wirtschaften seien bislang gewinnträchtiger als ein Statement gegen die AfD. Diese stelle als Anti-Arbeitsplatz-Partei für Unternehmen aber auch ein Geschäftsrisiko von rechts dar.
Für eine stärkere Rolle der Wirtschaft im Abwehrkampf gegen Rechts plädiert auch der Investor, Stifter und frühere FDP-Schatzmeister Harald Christ in der Börsenzeitung. Benedikt Erdmann, Vorstandschef des Büromittelherstellers Soennecken, und Thomas Fischer, Chef der Allfoye Managementberatung sowie Vorsitzender der Wirtschaftsvereinigung der Grünen, machen unter dem Motto „Warum wir Unternehmer Haltung gegen Rechts zeigen müssen“ Stimmung gegen die verteufelte Opposition: Es sei an der Zeit, als Wirtschaft Verantwortung für Werte wie Weltoffenheit und Vielfalt zu übernehmen und „mit klarer Haltung den menschen- und damit auch investitionsfeindlichen Parolen der AfD entgegenzutreten“. Konzernchefs und Geschäftsführer müßten der AfD mit „klarer Haltung, vor allem aber der Bereitschaft zum Dialog energisch entgegentreten“.
„Es ist eine Bedrohung für unseren Standort“
Haltung zu zeigen, fordert auch Hildegard Müller, Präsidentin des Automobilverbandes VDA. Immer häufiger würden sich Proteste gegen das politische und gesellschaftliche System richten – was auch ökonomisch schädlich sei, so die frühere Vorsitzende der Jungen Union und Ex-Staatssekretärin in Angela Merkels Bundeskanzleramt: „Das ist nicht nur eine Bedrohung für unsere Demokratie, es ist eine Bedrohung für unseren Standort.“
Neu ist all das nicht. Bereits vor sechs Jahren forderte Franziska Pörschmann vom Wirtschaftsmagazin Impulse: Unternehmer sollten auch mal die Faust erheben, sich gegen Rechts engagieren, auch wenn es zu Umsatzeinbußen führt. Pörschmann lieferte sogar konkrete Vorschläge, so beispielsweise neue Mitarbeiter über das Netzwerk „Unternehmen integrieren Flüchtlinge“ suchen oder Sommerfeste zur interkulturellen Begegnung und Verständigung organisieren und zu diesen auch Kunden einladen.
Warum dennoch nicht alle Unternehmer begeistert mitmachen, erklärt sich Ex-Siemenschef Kaeser so: Sie seien „zuerst den Eigentümern verpflichtet“. Bei Firmen, die Investitionsgüter verkaufen, sei die Konsumentenmeinung weniger wichtig, bei Alltagsprodukten sei es anders: 20 Prozent oder mehr Wählerpotential, so Kaeser im RND-Interview, „heißt ja auch immer Käuferpotential, deshalb ist es mit politischen Positionen und Präferenzen so eine Sache“.
„Gemeinsame Erklärung der Sozialpartner BDA und DGB gegen Rechtsextremismus“: