Mit der Einführung einer Bezahlkarte für Asylbewerber kann der Landkreis Greiz offenbar nachweisen, daß ein Zusammenhang zwischen finanzieller Ausstattung und Einwanderung besteht: Seitdem in diesem Thüringer Landkreis fast kein Bargeld mehr an Asylbewerber ausgezahlt wird, haben nach Angaben der Landkreisverwaltung schon in 14 Fällen Betroffene das Weite gesucht. Ähnliches wird aus dem katholisch geprägten Eichsfeld in Nordthüringen berichtet, wo seit Anfang Januar Geldkarten vergeben werden.
Das Modell ist einfach. Die Asylbewerber erhalten weiterhin die ihnen gesetzlich zustehenden Leis-tungen, allerdings nur noch die 204 Euro für den „notwendigen persönlichen Bedarf“ in bar ausgezahlt, die übrigen 254 Euro werden auf eine Geldkarte geladen. Mit dieser können sie in allen Geschäften, die auch die Mastercard akzeptieren, einkaufen – aber nur innerhalb des Landkreises. Überweisungen in die Heimatländer oder zur Tilgung von durch die Flucht entstandenen Schulden etwa bei Schleusern sind nicht möglich. Auch erfolgt die monatliche Aufladung der Karte nicht automatisch, sondern nur nach persönlicher Vorsprache beim Amt.
Weil sie jetzt zu wenig Bargeld bekämen, hätten Familien aus Serbien und Nordmazedonien für sich entschieden, „jetzt breche ich hier alle Zelte ab und gehe freiwillig nach Hause“, berichtete der Sachgebietsleiter Asyl des Landkreises, Thomas Dreiling, dem MDR. Die Bezahlkarte werde „schon ein bißchen die Spreu vom Weizen trennen“, argumentierte Dagmar Pöhland von der Greizer Flüchtlingshilfe gegenüber der dpa. „Wer wirklich auf der Flucht ist, dem ist die Auszahlungsweise egal. Sie kaufen Kleidung oder Lebensmittel.“ Der Staat habe bisher zuviel Mißbrauch zugelassen.
Ein Erfolgsmodell, das schnell weitere Nachahmer findet. Nun soll auch im Saale-Orla-Kreis das System Bezahlkarte eingeführt werden. Selbst Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hält das Ganze inzwischen für praxistauglich und will noch im laufenden Jahr landesweit eine Bezahlkarte für Asylbewerber einführen: „Ich will weg von bar zu unbar.“ Ist der Landkreis Greiz Vorreiter in Thüringen, so ist der Freistaat Vorreiter in der Bundesrepublik. Zwar haben sich bereits Anfang November Bund und Länder auf die Einführung einer Bezahlkarte geeinigt, für die „bundeseinheitliche Mindeststandards“ gelten sollen. Aber noch sind sich die Länder uneins, was darunter zu verstehen ist. Das Land Berlin will beispielsweise zwar die Karte, um Verwaltungsarbeit einzusparen, aber keine Abkehr vom Geldleistungs- zum Sachleistungsprinzip und konterkariert damit das Vorhaben.
Andere Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen wollen „länderspezifische Anpassungen“, die in Hamburg beispielsweise darin bestehen sollen, daß die Leistungsbezieher nicht persönlich im Amt vorsprechen müssen, wie es im Landkreis Greiz Bedingung ist. Ein Flickenteppich droht auch deswegen, weil Bayern vorprescht und hier das Konzept für das Vergabeverfahren bis Mitte Februar vorlegen soll, damit die Karte bereits im zweiten Quartal 2024 im gesamten Freistaat eingesetzt werden kann. Bargeldabhebungen sollen dabei auf das „rechtlich gebotene Minimum“ beschränkt werden.