Die nächste Runde kaltes Bier wird in schäumenden Gläsern hingestellt. „Offizieller“ Start ins neue Jahr und Freitagfeierabenddurst, auch wenn einige „Dry January“ machen. Die Zündschnur für das Wochenende wird angesteckt. Die Geschichten am Kneipentisch werden ebenfalls langsam scharf gestellt. „Hör mir auf, sonst bekomme ich Lust, das Haus am anderen Ufer abzufackeln“, raunt einer und zeigt grob über die Spree in Himmelsrichtung Kanzleramt.
In unserer Runde wie an vielen anderen Holztischen sammelt sich eine bunte Mischung der Berlin-Bubble. Ein anderer, regelmäßig aus Bonn in die Hauptstadt Einfliegender – ministerielle Doppelstandorte kosten eben – erzählt einen Schwank von einer Bekannten, die als Psychologin in der Flüchtlingshilfe tätig sei, feinstes grünschwarzes Bürgertum: „… und dann stand der Typ plötzlich vor ihrer Haustür.“
Ein Zuhörer winkt ab: „Ich kenne schon das Ende. Ich will euch am liebsten gar nicht genauer erzählen, wen wir so alles einkassieren, was hier so alles in unseren Städten rumläuft.“
Dann solle doch grad die Polizei mal durchgreifen, wettert ein anderer.
Der Soma-Schaum wird weggewischt. Kurz darauf fährt der orientalische Fahrer vor.
„Was sollen wir machen?“ bleibt der Ordnungshüter gelassen, diese Art von Vorwürfen wohl gewohnt. „Wir nehmen die fest, und kurz darauf sehen wir die wieder. Die lachen uns aus.“ Aber er könne den Ärger ja verstehen. Früher habe es mehr Haudegen gegeben, da gebe es Geschichten über ein paar bereits pensionierte: die hätten noch ambitioniert harte Ansagen verteilt, speziell bei den üblichen Verdächtigen.
Aber heute: „Grad die Älteren wollen einfach nur so locker wie möglich den Dienst bis zur Rente über die Bühne bringen.“ Und die Jüngeren: da würde gerne auch mal intern für die Karriere oder beim Kollegenzoff die woke Jokerkarte gezogen, Beispiel: Geschlechter und Frauen im Dienst.
„So, keine Lust mehr auf den Deutschland-sinkt-Liveticker“, haut einer entschlossen auf den Tisch, „ich bestelle uns mal ein Auto zum Weiterziehen“. Der Soma-Schaum vorm Mund wird weggewischt wie die Strickthemen. Das Uber-Auto mit seinem orientalischen Fahrer fährt vor. Der Abend ist wie 2024 jung und der Ablenkungs- und Verdrängungsdurst noch lange nicht gelöscht.