Die Geschichte der Friedensschlüsse, von denen der Freiburger Neuhistoriker Jörn Leonhard einige Revue passieren läßt (Forschung & Lehre, 1/24), vermittelt vor allem „ernüchternde Botschaften“. So habe der formale Abschluß eines Friedensvertrags häufig keine Wirkung auf fortbestehende kollektive Freund-Feind-Bilder, auf mentale Verletzungen und langfristigen Einstellungen der Konfliktparteien gehabt. Je enthemmter Gewalt sich gegen die Zivilbevölkerung richtete, wie im US-Bürgerkrieg und Frankreichs Algerienkrieg, desto geringer seien zudem die Chancen auf Aussöhnung gewesen. Erfolgreiche Friedensdiplomatie kam meist erst zum Zuge, wenn Kriege langsam ausbrannten und die erschöpften Akteure die Alternativlosigkeit politischer Lösungen einsahen. Für den aktuellen russischen-ukrainischen Konflikt, der für ihn bereits in einen unabsehbar langen Abnutzungskrieg übergangen ist, zieht Leonhard aus diesen Lehren der Geschichte aber nicht den Schluß, zu ernsthaften Verhandlungen zu raten. Denn noch sei keine Partei so erschöpft, daß sich ein Einfrieren der Kampfhandlungen abzeichne. In dieser Lage ukrainische Konzessionen zu fordern, würde nur das Tor zu einem „faulen Frieden“ öffnen, der für die Glaubwürdigkeit einer internationalen Ordnung „verheerende Konsequenzen“ haben dürfte.