© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/24 / 26. Januar 2024

Die Zukunft des Elbtowers steht in den Sternen
Signa-Pleite: Weitere Gesellschaften des Firmenkonglomerats insolvent / Mehr als 14 Milliarden Euro Schulden bei Banken und Versicherungen?
Martin Krüger

Die Signa-Gruppe fällt in sich zusammen. Nun ist auch die Hamburger Tochtergesellschaft der Signa Prime Selection, die Elbtower Immobilien GmbH & Co. KG, insolvent. Der finanzielle Tsunami um den Tiroler Geschäftsmann René Benko könnte Milliarden wegspülen – trotz eines beeindruckenden Portfolios von Luxusimmobilien und Einkaufszentren wie dem Berliner Warenhaus KaDeWe, dem Oberpollinger in München, der Wiener Luxusmeile „Goldenes Quartier“ und dem 319 Meter hohen Chrysler Building in der East Side von Manhattan oder Beteiligungen an den österreichischen Tageszeitungen Krone und Kurier. Doch hinter den glamourösen Fassaden offenbaren sich immer mehr tiefer liegende Probleme.

Die Ursachen für den Niedergang der „Signa-Gruppe“ sind vielschichtig. Einige Experten weisen auf riskante Investitionen hin, während andere die intransparente Unternehmensstruktur als problematisch betrachten. Eine genaue Analyse des Insolvenzverwalters wird zeigen müssen, ob es sich nur um Mißmanagement, externe Einflüsse, eine Kombination verschiedener Faktoren oder gar um kriminelle Machenschaften gehandelt hat.

Selbst der Elbtower in der Hamburger Hafencity ist nun ein Hochrisiko-Projekt. Der imposante 245-Meter-Wolkenkratzer mit 64 Stockwerken, der vor sechs Jahren noch als architektonisches Meisterwerk gefeiert wurde, steht nun als Symbol für die Unsicherheiten der deutschen Immobilienbranche. Die Hansestadt will jetzt ihr vertraglich gesichertes Wiederkaufsrecht geltend machen. Dabei besteht die Hamburger Politik darauf, daß es sich – anders als bei der 866 Millionen Euro teuren Elbphilharmonie, die 2017 eröffnet wurde – um ein privatwirtschaftliches Projekt handelt und daher eine privatwirtschaftliche Lösung erwartet wird.

Hamburg hat Garantie von 250 Millionen übernommen

Der damalige Erste Bürgermeister Olaf Scholz hatte allerdings im Februar 2018 noch herausposaunt: „Signa ist finanzstark, hat ein A+-Bonitätsrating und Hamburg eine Garantie von 250 Millionen Euro abgegeben.“ Nun ist man schlauer: „Die Stadt ist hinsichtlich der Prüfung der Vorvermietungsquote zu blauäugig gewesen. Wir hätten die Mietverträge selber prüfen müssen und nicht nur dem Finanzierer trauen dürfen“, mußte der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Markus Schreiber eingestehen. Engagiert sich jetzt der Elbtower-Investor und Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne – laut Forbes mit 34,7 Milliarden Dollar Vermögen einer der reichsten Deutschen – finanziell stärker, um seine Investitionen zu retten? Eine Minderheitsbeteiligung von 25 Prozent hält die CommerzReal, eine Tochter der teilstaatlichen Commerzbank. Die generellen Bemühungen der Signa-Gruppe, frisches Geld an Land zu ziehen, sind bislang erfolglos. Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) ist dennoch optimistisch: „Es sind ja schon viele Millionen Euro investiert. Die würden für null Euro an uns zurückfallen.“ Doch die Fertigstellung des 100 Meter hohen Rohbaus würde die Hansestadt nach den bisherigen Plänen 500 bis 600 Millionen Euro kosten – auch für einen Nettozahler im Länderfinanzausgleich (2022: 814 Millionen Euro) keine Kleinigkeit.

Die größten Sorgen müssen sich allerdings Banken und Versicherungen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol machen: Bei ihnen hat die unübersichtliche Signa-Gruppe laut Insiderberichten Verbindlichkeiten von über 14 Milliarden Euro. Betroffen sind laut einem Bild-Bericht der Versicherer Signal Iduna (912,5 Millionen Euro), die Wiener Raiffeisen Bank International (755,5 Millionen), die Münchner Rückversicherung (700 Millionen), die Zürcher Privatbank Julius Bär (628 Millionen), die Landesbank Hessen-Thüringen (627,8 Millionen), die Mailänder Unicredit (600 Millionen), die Versicherer Allianz und LVM (je 300 Millionen), die Raiffeisenlandesbank Nieder­österreich-Wien (280 Millionen), die Schweizer Migros (230,6 Millionen) und die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich (181,8 Millionen).

Die Hamburg Commercial Bank, die 2019 mit viel Steuergeld aus der verzockten HSH Nordbank hervorging, hat 141,9 Millionen und der Wirtschaftsstabilisierungsfonds der Bundesregierung 88 Millionen Euro im Feuer stehen. Auf der Gläubigerliste stehen Dutzende regionale Geldinstitute wie die Südtiroler Volksbank (44,8 Millionen), die Kreissparkasse Groß-Gerau (20 Millionen Euro) oder die Austrian Anadi Bank (10 Millionen), die „an der Spitze der digitalen Revolution“ steht und „zu 100 Prozent im Besitz eines international tätigen, langfristig orientierten Aktionärs“ ist.

Auch die Mezz 23 GmbH & Co. KG, eine Pullacher Vermögensverwaltung, die der Unternehmerfamilie Schoeller gehört, hat 200 Millionen Euro bei Signa ausstehen. Interessant ist die San Simeon Investments, bei der die Signa mit 884,5 Millionen Euro verschuldet sein soll. Registriert ist die Limited Company auf den Britischen Jungferninseln. Die Briefkastenfirma in der karibischen Steueroase tauchte in den „Panama Papers“ auf, die 2016 das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) veröffentlichte. Laut dem ICIJ gehört die Firma der chinesisch-thailändischen Familie Chirathivat, die über die Bangkoker Central Group unter anderem am KaDeWe, dem Oberpollinger und dem Alsterhaus in Hamburg beteiligt ist.