Die Anspannung an den städtischen Wohnungsmärkten spitzt sich bedrohlich zu. Das ursprünglich von der Ampelkoalition für die laufende Legislatur ausgegebene Fertigstellungsziel von 400.000 Wohnungen pro Jahr – das in etwa dem langfristigen Bedarf entspricht – wird immer deutlicher verfehlt, während der Zuwanderungsdruck auf den Wohnungsmarkt nicht abnimmt.
Nach dem historischen Rekord von 2022 mit einem Wanderungssaldo von knapp 1,5 Millionen gab es im vergangenen Jahr einen wanderungsbedingten Bevölkerungszuwachs von über 600.000 Personen. Zusammen sind das über zwei Millionen Menschen in nur zwei Jahren. Gleichzeitig ist der Wohnungsbau nur noch ein Rinnsal. Seit 2021 wurden jährlich nicht mal 300.000 Wohnungen in ganz Deutschland fertiggestellt, und für dieses Jahr schätzt das Münchner Ifo-Institut, daß es gerade einmal 225.000 Wohnungen werden.
Mit einem Regionalplan ist noch lange kein Baurecht geschaffen
Die Ampelregierung hat ihren Teil zu der Wohnungsnot beigetragen, indem sie trotz der scharf ansteigenden Baupreise und Zinsen die Neubauförderung zunächst kräftig zurückgefahren hat. Nach dem absehbaren Einbruch der Bautätigkeit bemüht sie sich nun um Schadensbegrenzung. Dabei ist ihr jedoch das Bundeverfassungsgericht mit seinem Haushaltsurteil in die Parade gefahren. Die KfW-Programme zur Förderung des klimafreundlichen Neubaus sind immer noch geschlossen, und die angekündigte Wiedereinführung der degressiven Abschreibungen läßt auf sich warten. Zur Beruhigung wurde gerade ein weiteres Milliardenprogramm für den klimagerechten Neubau angekündigt.
Einmal angenommen, es gelingt dieser Regierung, ihr Förderchaos demnächst wieder zu sortieren, die weitere Entwicklung der Baupreise und Zinsen geht in die richtige Richtung und die Wohnungsbautätigkeit belebt sich im nächsten Jahr wieder, dann bleibt immer noch die Frage, wo überhaupt der viele neue Wohnraum geschaffen werden könnte. Der Bundeskanzler hat sich dazu im November geäußert: Er stellt sich 20 große Neubaugebiete auf der grünen Wiese vor. Wem stehen da nicht unwillkürlich die monotonen Großwohnsiedlungen des sozialen Wohnungsbaus vor Augen? Das muß nicht so kommen, aber sind die Flächen für solche großflächigen Außenentwicklungen auf der grünen Wiese überhaupt zu mobilisieren?
Eine Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft zusammen mit dem ILS-Institut für Landes und Stadtentwicklungsforschung („Erfolgreiche Wege für mehr Wohnungsbau“, IW-Report 41/20) kommt zu dem Schluß, daß in Nordrhein-Westfalen gerade in den Regionen mit hohem Wohnungsbedarf ein eklatanter Mangel an planerischem Baulandpotential besteht. In Köln, Düsseldorf, Bonn und den Umlandkreisen dieser Städte geht nicht mehr viel. Natürlich kann man neue Regionalpläne aufstellen. Für den Regionalplan Ruhr, der immerhin Flächen für 140.000 neue Wohnungen vorsieht, hat man aber 16 Jahre gebraucht. Und mit einem Regionalplan ist noch lange kein Baurecht geschaffen.
Abgesehen davon bestehen Konflikte mit den propagierten ökologischen Zielen. Landschaftsverbrauch hat weitreichende Umweltfolgen: Neben der unmittelbaren Schädigung und dem Verlust fruchtbarer Böden wird auch der Wasserhaushalt beeinträchtigt. Biotope werden geschädigt oder zerstört, Landschaften zerschnitten und Wildtieren ihr Lebensraum genommen. Und auch die meisten Menschen wollen nicht in endlosen Betonwüsten wohnen. Mit einer Bevölkerungsdichte von 235,2 Einwohnern je Quadratkilometer ist Deutschland schon heute sehr dicht besiedelt und bebaut. Der EU-Durchschnitt liegt nur bei 109.
Permanent hohe Zuwanderung nach Deutschland fordert Tribut
Die von Olaf Scholz geforderte Mobilisierung großer Neubauflächen auf der grünen Wiese widerspräche fundamental den nationalen Versiegelungszielen, auf die sich die Bundesregierung im Rahmen der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie verpflichtet hat: Bis zum Jahr 2030 ist die Neuinanspruchnahme von Flächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke auf unter 30 Hektar pro Tag zu verringern. Tatsächlich versiegeln wir an jedem einzelnen Tag des Jahres aber fast die doppelte Fläche. Das entspricht fast 80 Fußballfeldern. Scholz will zur Aufrechterhaltung einer permanent hohen Zuwanderung nach Deutschland noch die letzten Freiflächen, noch die letzten Äcker, Wälder und Wiesen in den Verdichtungsräumen opfern.
Wenn wir das vermeiden wollen, muß sich die weitere Wohnungsbautätigkeit überwiegend in Form der Innenentwicklung vollziehen. Das bedeutet die Konversion von Brachflächen, die Schließung von Baulücken, die Aufstockung bestehender Gebäude oder auch Ersatzneubebauung mit mehr Geschossen. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe für die Kommunen, und im Zweifel kostet die Innenentwicklung auch mehr Zeit als die Außenentwicklung.
Statt aber den brachialen, großflächigen Bau von Neustädten und Großwohnsiedlungen wiederzubeleben, sollten wir unsere Städte lieber behutsam verdichten, unsere natürlichen Lebensgrundlagen erhalten und endlich die Zuwanderung nach Deutschland auf ein ökologisch und städtebaulich verträgliches Maß reduzieren.
Sparvorschläge für Wohnungsneubau in Deutschland
Das Institut der deutschen Wirtschaft hat in einem Gutachten ein Umdenken im Wohnungsneubau gefordert. So seien kleinere Wohnungsgrößen der „größte Hebel für geringere Kauf- und Mietpreise“. Zudem könnten einfachere Ausstattungen (kein Balkon, Gäste-WC, Keller) zu „Preisabschlägen von etwa 7,5 Prozent bei Mietangeboten und bis knapp 15 Prozent bei Kaufangeboten“ führen. Zudem sollten mehr Hochhäuser gebaut werden, denn beim Mietwohnungsneubau seien „Gebäude mit acht bis zehn Etagen in der Regel mit Preisabschlägen von drei bis sieben Prozent gegenüber der Referenz von zwei bis vier Etagen-Gebäuden verbunden“. Die mit steigender Etagenzahl höheren Kosten für die Brandschutzauflagen werden in Frage gestellt. Der Verzicht auf eine Tiefgarage sei sogar „mit Preisabschlägen von etwa 4 bis 9 Prozent verbunden“. Auch erheblich mehr Steuergeld sei nötig: „Sozialwohnungen sind über 40 Prozent günstiger als vergleichbare freifinanzierte Neubauwohnungen.“ (fis)
Gutachten „Optionen für bezahlbaren Neubau“ (IW-Report 3/24):