© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/24 / 26. Januar 2024

Zinserhöhungen führen zu Milliardenverlusten bei der US-Notenbank Fed
Gleichgewicht des Schreckens
Thomas Kirchner

Wer will 0,55 Prozent geschenkt bekommen? Diese Spendierhosen hat derzeit die US-Zentralbank Fed an. Bei dem im März 2023 angelegten Bankenrettungsfonds BTFP können US-Banken für 4,85 Prozent Geld leihen und es dann als Reserven zu 5,40 Prozent bei der Fed anlegen. Macht eine risikolose Gewinnspanne von 0,55 Prozent, ohne daß man sich mit Anträgen von Kunden herumschlagen muß. Kein Wunder, daß trotz längst beigelegter Bankenkrise das Volumen des Rettungsfonds jeden Monat neue Rekordwerte erreicht, zuletzt 162 Milliarden Dollar. Gewinne der Banken aus diesem Geschäft sind Verluste der Fed. Für die Fed sind das nur „Peanuts“. Denn die schreibt derzeit reichlich Verluste: 114 Milliarden im Jahr 2023.

Seit Beginn der Verlustphase im September 2022 summieren sich ihre Verluste auf 133 Milliarden. Die Gründe sind die gestiegenen Zinsen und die Überbleibsel des Anleihekaufprogramms der Quantitativen Lockerung. Aus dem Programm hält die Fed, trotz eines Rückgangs von neun Billionen in der Spitze, immer noch 7,6 Billionen an Anleihen, die Niedrigzinsen zahlen. Sie finanziert diese Anleihen durch Aufnahme kurzfristiger Kredite zu aktuellen, deutlich höheren Zinsen. Unterm Strich bleibt ein saftiger Finanzierungsverlust.

Direkte Auswirkungen hat das zunächst nur für Finanzministerin Janet Yellen. Im vergangenen Jahrzehnt hat die Fed insgesamt rund eine Billion Dollar an den US-Haushalt überwiesen, wodurch die Defizite zumindest geringfügig sanken. Diese Einnahmen fehlen Yellen jetzt. Seit 2001 waren es insgesamt 1,36 Billionen. Gewissermaßen eine hundertprozentige Gewinnsteuer, denn Eigentümer der Fed sind eigentlich regionale Banken. Zu bedenken ist, daß es sich bei diesen Zahlen nur um operative Verluste aus Zinseinnahmen und -ausgaben handelt, die vergleichsweise gering ausfallen. Die wirklich großen Verluste sind in der Bilanz versteckt. Und da hat die Fed das gleiche Problem wie der Bankensektor insgesamt, was dort 2023 zu Insolvenzen führte: durch die Zinserhöhungen ist der Wert der Anleihen in der Bilanz geschrumpft (JF 20/23). Allein bei der Fed macht der Wertverlust 1,3 Billionen Dollar aus – ein Vielfaches der operativen Verluste. Bei Geschäftsbanken belaufen sich die Buchverluste auf immerhin 684 Milliarden Dollar. Umstritten ist, ob die Insolvenz einer Zentralbank Auswirkungen hätte. Pessimisten befürchten, das Vertrauen in den Dollar könne sinken und eine Währungskrise auslösen. Optimisten vertreten die Ansicht, daß es sich nur um irrelevante Buchverluste handelt, die keine praktischen Auswirkungen haben.

Befürchtungen einer Dollar-Währungskrise gibt es seit Jahrzehnten, abwechselnd wegen hoher Haushalts- und Handelsdefizite, hoher Verschuldung oder Ausweitung der Geldmenge. Jedoch verfolgen Fed, EZB und Bank of Japan schon lange eine faktisch synchrone Geldpolitik, weshalb sich die Probleme in den großen Handelsblöcken gegenseitig in der Waage halten. Es wird sich bei den derzeitigen Verlusten der Fed genauso verhalten, denn es ist zu erwarten, daß die EZB-Anleihekäufe der EZB zu vergleichbaren Verlusten führen. Das Gleichgewicht des geldpolitischen Schreckens wird auch bei mathematischer Insolvenz der großen Zentralbanken größere Zerwürfnisse verhindern. Akut bedrohlich ist hingegen die Lage bei der Liquidität im Geldmarkt, die unter der Wechselwirkung von Bankenregulierung, Zinserhöhung und Fed-Anleiheverkäufen leidet.