© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/24 / 26. Januar 2024

Kehrtwende in der Migrationspolitik
Niederlande: Eine Studie, die die Beschränkung der Einwanderung fordert, sorgt für Furore
Mina Buts

In den Niederlanden wird seit Monaten um eine neue Regierung gerungen, nur wenig dringt über die Verhandlungen zu einer stabilen rechten Regierung nach außen. Daher ist der Zeitpunkt nicht zufällig gewählt, an dem die „Staatliche Kommission Demographische Entwicklung 2050“ endlich ihren Bericht vorlegt. Sie erforscht seit Juli 2022, wie viel und welche Einwanderung die Niederlande vertragen. Das Expertengremium wird geleitet von dem Christdemokraten Richard van Zwol. Er ist Mitglied des „Staatsrates“, einem altehrwürdigen Beratungsorgan, welches Gutachten für die Regierung und das Parlament erstellt. An dem jetzt vorgelegten wirkten auch linke Politiker wie Paul Scheffer (PvdA) und die Politologin Monika Sie Dhian Ho (PvdA) mit, aber auch liberale wie Tamara van Ark (VVD) und Marco Pastors (JA21).

Das Ergebnis ist eindeutig: Die Niederlande brauchen nur eine „mäßige Migration“. Eine Begrenzung der Einwanderung ist notwendig, um den Wohlstand des Landes erhalten zu können. Die Niederlande haben nicht nur eine der höchsten Bevölkerungsdichten in ganz Europa, sondern auch eine der höchsten Zuwanderungsraten. In den sechziger Jahren gab es gerade einmal elf Millionen Niederländer, heute ist die Zahl auf 17 Millionen gestiegen, für 2050 wird mit 25 Millionen Bewohnern gerechnet, sollte der Zuzug nicht begrenzt werden.

Dieses unglaubliche Bevölkerungswachstum geht mit einer gleichzeitigen Vergreisung der Gesellschaft einher. Daher, so die Kommission, gelte es, klug gegenzusteuern. Die Integration von Migranten müsse verbessert und in der Pflege müsse digitalisiert werden. Mit alternativen gemeinschaftlichen Wohnformen soll dem Mangel an Wohnraum begegnet werden. Eine Rezession der Wirtschaft müsse unbedingt vermieden werden, um weiterhin in Bildung, Gesundheitsvorsorge und Wohnraum investieren zu können. Ziel müsse es sein, das Bevölkerungswachstum auf 19 Millionen Menschen bis zum Jahr 2050 zu begrenzen. Damit dies gelinge, so der Bericht, müßten rasch Entscheidungen getroffen werden. Dazu gehörten eine Beschränkung der Einwanderung für Ungelernte, eine Verlangsamung der Zuwanderung von Fachkräften aus dem EU-Ausland und die Festlegung einer Einwanderungsquote. 

Die Studie bestärkt 

Geert Wilders in seiner Politik 

Schon erklärte Pieter Omtzigt, der mit seiner neuen Partei NSC zwanzig Sitze erringen konnte, er sei bereit, die geplante Einwanderungsquote der Kommission zu unterstützen. Gleichzeitig forderte er, die Möglichkeiten eines englischsprachigen Studiums für Ausländer in den Niederlanden zu begrenzen. Es ist ein seit Jahren ungelöstes Problem, daß diese Studenten – oft Deutsche – nach erfolgreichem Examen wegen mangelnder Sprachkenntnisse nicht für den Arbeitsmarkt des Landes zur Verfügung stehen. Die VVD, die ebenfalls an der künftigen Regierung beteiligt sein wird, geht in ihren Forderungen noch weiter und will Sparmaßnahmen bei der Entwicklungshilfe; die PVV will diese gleich ganz abschaffen. 

Die Studie kommt für die Parteien, die die neue Regierung bilden werden, zur rechten Zeit. An Wilders, der seit der Wahl von einem Umfragehoch zum nächsten taumelt und bei einer neuerlichen Wahl statt der gewonnenen 37 Sitze nun 49 erringen würde, kommt keiner mehr vorbei. Doch die VVD kann die jahrelange Ausgrenzungs- und Abgrenzungspolitik gegenüber der PVV nicht einfach aufgeben, ohne sich unglaubwürdig zu machen. Mit der nun von der Regierung vorgelegten Studie zum Einwanderungsstopp wird eine von Wilders Kernforderungen vorweggenommen – einer raschen Regierungsbildung steht nun nichts mehr im Weg.