© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/24 / 26. Januar 2024

Keine Liebeshochzeit
Südtirol: Der freiheitliche Politiker Florian von Ach über die neue Landesregierung mit der SVP und den italienischen Rechtsparteien
Curd-Torsten Weick

Am vergangenen Donnerstag wurde Arno Kompatscher (Südtiroler Volkspartei) zum dritten Mal zum Landeshauptmann Südtirols gewählt. Die SVP war jahrelanger Hauptgegner für die Freiheitlichen. Wie leicht fiel die Umstellung?

Florian von Ach: Es war natürlich eine Umstellung für uns Freiheitliche. Wir wurden 1992 als Oppositionspartei gegründet und waren bisher stets der Stachel im Fleisch der dauerregierenden Südtiroler Volkspartei. Doch fiel uns die Umstellung nicht allzu schwer, denn das Koalitionsprogramm trägt eine ganz klare freiheitliche Handschrift, so daß wir nun mit voller Kraft an die Umsetzung unserer Punkte gehen können.

Die Südtiroler Volkspartei reißt ‘Brandmauern’ ein, titelte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Hat sich die SVP in ihrer Haltung gegenüber rechten Parteien gewandelt?

von Ach: Nein, der Begriff „Brandmauern“ scheint mir eher aus der aktuellen bundesdeutschen Diskussion über den richtigen Umgang mit der AfD zweckentfremdet worden zu sein. Er ist hier eindeutig fehl am Platze, denn die SVP konnte seit jeher mit jeder Partei, die ihr einen Vorteil versprach. Von den Kommunisten bis eben jetzt zu den Postfaschisten.

Eine Allianz aus SVP, den Freiheitlichen, der italienischen christdemokratischen Bügerliste (Lista Civica), der Lega und Giorgia Melonis Fratelli d’Italia. Wie schwer waren die Koalitionsgespräche?

von Ach: Sehr schwer und auch konfliktreich. Das lag aber nicht an den italienischen Parteien, die sich wenig interessiert zeigten, über Inhalte zu sprechen. Dort dominierte bis zuletzt alleine das Gerangel um die Posten in der Landesregierung. Die inhaltlichen Diskussionen führten fast ausschließlich die beiden deutschen Parteien, also wir und die SVP. Und dies überaus kontrovers, auch ein Abbruch der Gespräche stand unsererseits mehrfach im Raum.

In der neuen elfköpfigen Landesregierung sind Vertreter der SVP, der Freiheitlichen, der Fratelli d’Italia und der Lega. Die in der politischen Mitte angesiedelte Bürgerliste stellt keinen Landesrat. Was ist der Grund?

von Ach: Die Fratelli d’Italia und die Lega hatten von Anfang an klargemacht, daß sie nur dann in eine Koalition eintreten würden, wenn sie beide einen Landesratsposten bekommen würden. Landeshauptmann Kompatscher bestand dann auf einer Einbindung dieser Bürgerliste, die man eigentlich gar nicht brauchte, da die Mehrheit auch ohne sie gegeben wäre, wohl um die Regierung etwas mehr „mittiger“ erscheinen zu lassen. Das weckte in der Folge die Begehrlichkeit der Bürgerliste nach einem Posten in der Regierung. Uns ließ dieses unnötige Geplänkel immer kalt. Die Bürgerliste ist inhaltlich völlig blaß und stellte sich unseren Forderungen zu keinem Zeitpunkt entgegen. Alleine darauf kam es uns an.

Es heißt, das Koalitionsprogramm trage eine deutliche „blaue Handschrift“. Wo konnten sich die Freiheitlichen durchsetzen?

von Ach: Unsere freiheitliche Handschrift zieht sich querbeet durch das ganze Programm: von volkstumspolitischen Themen wie dem klaren Bekenntnis zur deutschen Schule, zur deutschen Volkszugehörigkeit der Südtiroler und zur Brückenfunktion Südtirols zwischen deutschem und italienischem Wirtschafts- und Kulturraum über die Corona-Aufarbeitung, Maßnahmen zur öffentlichen Sicherheit, die konsequente Einforderung von Integrationsbereitschaft bei Migranten, den Schutz der Einheimischen, eine Klimapolitik, die nur sozialverträglich und wirtschaftsfreundlich sein darf, die Unterstützung von Familien mit Kindern bis zu einer Vielzahl an sachpolitischen Themen.

Welche Kröten mußten Sie schlucken?

von Ach: Die größte Kröte ist die Tatsache, daß wir mit den Fratelli d’Italia nun in einer Koalition sind, denn deren nationalistisch-zentralistische Ausrichtung haben wir, wie alle deutschen politischen Kräfte Südtirols, stets vehement bekämpft. Aber man muß den Fratelli d’Italia auch einen Lernprozeß zugestehen: die Töne, die uns Südtirolern unser deutsches Volkstum absprachen, sind auch dort verstummt. Zumindest derzeit. Und ohne die Fratelli d’Italia, die in Rom regieren, wird in Sachen Ausbau der Südtirol-Autonomie nichts weitergehen. Daher schluckten wir, wie auch die SVP, diese Kröte.

Haben Südtiroler nicht Bauschmerzen, daß die Freiheitlichen nun in der Regierung mit denFratelli d’Italia zusammensitzen?

von Ach: Sicher gibt es diese Bauchschmerzen. Diese Koalition ist keine Liebeshochzeit, sondern eine Arbeitsgemeinschaft, die es sich zur Aufgabe gesetzt hat, zum Wohle des Landes tätig zu werden. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt, und sind zuversichtlich, die bestehenden Bedenken durch Taten ausräumen zu können.

Der Landesrat von Fratelli d’Italia, Marco Galateo, sieht die Einigung als Sieg für alle Italiener. Zündstoff für die zukünftige Zusammenarbeit?

von Ach: Nein, warum? Herr Galateo ist italienischer Patriot und bedient sich einer patriotischen Rhetorik. Solange sich diese nicht gegen uns deutsche Südtiroler richtet, finde ich das sogar sympathisch und in keinem Falle per se als feindlich oder befremdlich. Ist doch schön, wenn die Italiener es als Sieg empfinden, einer Regierung mit weitgehend freiheitlichem Koalitionsprogramm anzugehören.

Während die Freiheitlichen bei der Landtagwahl im Oktober 2023 4,9 Prozent erhielten, konnte sich die Süd-Tiroler Freiheit (STF) um 4,9 Prozentpunkte steigern und ist nun mit 10,9 Prozent drittstärkste Kraft in Südtirol. Welche Rolle spielte sie bei der Regierungsbildung?

von Ach: Keine. Die STF hatte nie einen direkten Draht zu Landeshauptmann Kompatscher oder der SVP aufbauen können, es gab auch einen sehr emotionalen Schlagabtausch zwischen den Spitzen-exponenten der beiden Parteien, sowohl vor als auch im Wahlkampf. Meines Wissens wurde die STF nie als Koalitionspartner in Betracht gezogen.

Welches Verhältnis haben die Freiheitlichen zur Süd-Tiroler Freiheit? Wo gibt es Gemeinsamkeiten? Wo liegen die Unterschiede?

von Ach: Auf persönlicher Ebene habe ich ein ausgezeichnetes Verhältnis zu Exponenten der STF, die meisten meiner politisch interessierten Freunde sind dort aktiv. Zudem sind beide Parteien im Südtiroler Schützenbund stark verankert, dem größten und einflußreichsten patriotischen Verband des Landes. Unterschiede lagen früher in der ideologischen Positionierung, die ich bei der STF als linkspatriotisch bezeichnen würde, wir hingegen waren immer eine klare Rechtspartei. Letzthin, gerade im letzten Wahlkampf, wurde dieser Unterschied geringer, da sich die STF als prononciert migrationskritisch positionierte und somit einen Rechtsschwenk vollzog, der wohl unter anderem ursächlich für deren Erfolg war.

Welche Rolle spielt der Südtiroler Schützenbund? Wie steht er zur Regierungsbildung?

von Ach: Der Südtiroler Schützenbund spielt immer eine Rolle und steht der Regierungsbildung aufgrund der Beteiligung der Fratelli d’Italia eindeutig skeptisch bis ablehnend gegenüber. Wir hoffen, den Schützenbund durch die „blaue Handschrift“ des Koalitionsprogrammes überzeugen zu können. Daß man mit den Fratelli d’Italia in Südtirols deutschpatriotischen Kreisen keine Freude hat, kann ich verstehen, aber nochmals: das ist keine Liebeshochzeit. Und die Aussicht, wesentliche Punkte für die deutsche Volksgruppe im Koalitionsprogramm verankern zu können, hat uns dazu bewogen, hier nicht abseits zu stehen.

Bei der Landtagswahl 2013 waren die Freiheitlichen noch mit 17,8 Prozent zweitstärkste politische Kraft in Südtirol. Wo und wie sehen Sie die Chancen, wieder Stimmen dazugewinnen zu können?

von Ach: Diese Regierungsbeteiligung eröffnet uns meines Erachtens die Möglichkeit, uns völlig neu zu positionieren und dadurch zu neuer Stärke zu finden. Dazu entsenden wir mit Ulli Mair unsere erfahrenste Politikerin in die Landesregierung, die dafür bekannt ist, daß sie freiheitliche Themen konsequent um- und durchsetzt. Parallel dazu wird uns Parteiobmann Otto Mahlknecht im Koalitionsausschuß vertreten und dort eine entscheidende Koordinierungsfunktion für die neue Landesregierung ausüben. Und die Koalitionsverhandlungen zeigten, daß man mit Selbstbewußtsein, Expertise und penibler Vorbereitung die treibende Kraft in dieser Koalition sein kann. Wir gehen daher sehr optimistisch in dieses Abenteuer.






Florian von Ach ist Vorstandsmitglied der Südtiroler Freiheitlichen.