Die interessantesten zwischenmenschlichen Konflikte sind oft jene, bei denen eine Seite gar nicht weiß, daß einer vorliegt. Genau ein solcher besteht zwischen Bundesdeutschen und Österreichern. Der Deutsche mag seine „Ösis“ und besucht sie deshalb auch mindestens einmal pro Jahr, um auf ihren Bergen Ski zu fahren und sich auf ihren Hütten zahlreiche Leberknödelsuppen und Germknödel einzuverleiben.
Serviert werden die dampfenden Teller zwar zumeist nicht mehr von Einheimischen, sondern von mitteldeutschen Saisonarbeitern, aber das tut dem Vergnügen keinen Abbruch. Der Deutsche zahlt und genießt. Der Österreicher hingegen hadert zuweilen mit seinen „Piefkes“, wie die so penibel nach der Schrift sprechenden Besucher aus dem Norden gerne genannt werden. Zu laut, zu grob und zu arrogant sei er, der „Deitsche“, ist sich so mancher Bergbewohner sicher.
Rache für die jahrzehnte-lange Invasion überheblicher deutscher Ski-Touristen in österreichische Dörfer.
An dieser Stelle sei auf die legendäre, vierteilige Serie „Piefke-Saga“ hingewiesen – ein satirisches Meisterwerk aus den 1990er Jahren, das die Stereotypen auf beiden Seiten rund um den Skitourismus in Tirol genüßlich aufs Korn nimmt.
Da der deutsche Gast in der Regel jedoch gut zahlt, scheut der Österreicher die direkte Konfrontation und sucht stattdessen andere Wege, um dem großen Bruder eins auszuwischen. Fündig wird er dabei im Sport. Natürlich ist da der alpine Skirennlauf, bei dem die Österreicher regelmäßig zeigen, wer der Herr im Haus ist. Den größten Erfolg im Wettstreit mit ihren Nachbarn feierten die Alpenländler jedoch nicht auf Schnee, sondern auf Rasen: Córdoba 1978. Ein Fußballspiel im Rahmen der Weltmeisterschaft in Argentinien, das in die Annalen eingegangen ist.
Für Österreicher ein Moment des unerwarteten Triumphs, für Deutsche eine schmerzhafte Niederlage, die bis heute in manchen Witzen überlebt. Córdoba wurde zum Synonym für österreichische Schadenfreude – eine kleine Rache für die jahrzehntelange Invasion überheblicher deutscher Ski-Touristen in österreichische Dörfer.
Überbewerten darf man diese etwas einseitige Rivalität jedoch nicht. „Was sich neckt, das liebt sich“, weiß der Volksmund zu berichten und vermutlich hat er auch hier wie so oft recht. Denn spätestens wenn nach einem erlebnisreichen Skitag die Sonne hinter den Gipfeln versinkt und sich der Betrieb von den Pisten an die mit lauter Après-Ski-Musik und Kräuterschnaps ausgestatteten Schirmbars verlagert, ist auch der Österreicher wieder gnädiger gestimmt: „Prost! Bist ganz in Ordnung für an Deitschn“ hat mir ein Einheimischer bei einer solchen Gelegenheit einmal gesagt und mir sein Weißbierglas entgegengestreckt. Was will man mehr?