© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/24 / 26. Januar 2024

Eine Scheidung mit Knall
Werteunion: Eine große Mehrheit im bisherigen Verein stimmt für die Gründung einer neuen Partei / Nicht jeder teilt die Begeisterung
Gil Barkei / Kuba Kruszakin

Nach langjährigen Streitigkeiten und wochenlangen Ankündigungen steht die Scheidung von den Christdemokraten offiziell fest. Die Werteunion (WU) soll als Partei neugegründet und ihre Namensrechte übertragen werden. Das Mandat dazu haben am vergangenen Wochenende 95 Prozent von rund 300 Teilnehmern der Bundesversammlung des Vereins in Erfurt erteilt – eine Entscheidung, die den Vereinsvorsitzenden, Hans-Georg Maaßen, freut. „Es war heute ein großartiger Tag, und ich war überwältigt von der Zustimmung zu einem Neubeginn“, sagte er nach der Abstimmung gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. 

Obwohl die Neugründung „viel Arbeit“ für seine Kollegen und ihn bedeute, zeigt sich Maaßen optimistisch: „Ich bin zuversichtlich, daß wir die Partei aufs Gleis setzen, daß sie richtig Tempo bekommt und daß sie über die Zwischenstationen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im September 2025 in den Bundestag rollt.“

Seine Grundsatzrede bei der Versammlung beinhaltete eine deutliche Kampfansage an CDU und CSU. Die WU sei „Union 1.0“, während das Original ihren „Rutsch in das links-grüne Lager“ auch unter Friedrich Merz fortsetze, warf Maaßen seiner bald ehemaligen Partei vor.

„Maaßen konnte nicht einmal ein Direktmandat gewinnen“

Die wiederum wirkte davon unbeeindruckt. „Wir haben uns neu aufgestellt, unsere Positionen sind nun so, daß für eine Maaßen-Partei kein Platz mehr ist“, sagte ein hochrangiger CDU-Funktionär der Welt am Sonntag. Aus Parteikreisen hieß es weiter, die Union müsse sich nicht mehr für eine „ultrakonservative Gruppierung“ rechtfertigen. Auch CSU-Generalsekretär Martin Huber betonte, die Werte seiner Partei seien nicht mit den Standpunkten der WU vereinbar.

Auch einige profilierte Parteirechte wie Wolfgang Bosbach gehen auf Distanz zu Maaßen. „Wenn er mich heute zu einer Wahlkampfveranstaltung einladen würde, wäre ich nicht hingegangen“, sagte der Ex-Abgeordnete im BR-Fernsehen und beklagte, der ehemalige Verfassungsschutz-Chef sei in eine Ecke „abgedriftet“, in der er sich ungerne sehen lassen würde. 

Noch deutlicher äußerte sich der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende und Ministerpräsident Sachsens, Michael Kretschmer: „Wir sehen doch, was das für Leute sind“, sagte er in einem Gespräch mit dem ARD-Fernsehen über die Werteunion und schloß jegliche Zusammenarbeit mit ihr aus. Die Partei habe nicht nur einen Haß auf CDU und CSU, sondern auf die offene Gesellschaft. Erfolgchancen räumt er der Partei nicht ein: „Sie wird immer nur populistische Stimmen sammeln, aber nicht tatsächlich Dinge umstellen können.“ 

Skepsis gibt es auch bei Meinungsforschern. Der Chef des Forsa-Instituts, Manfred Güllner, nannte die Aussichten auf den Einzug in die Landtage bei den kommenden Wahlen „zweifelhaft“. „Hans-Georg Maaßen hat schließlich nicht mal sein Direktmandat gewinnen können“, kommentiert er gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Vereinzelte Glückwünsche kamen aus der AfD. So wünschte der Bundestagsabgeordnete Thomas Seitz der WU „viel Erfolg dabei, die Brandmauer-Union zu ersetzen, um mit uns wieder bürgerliche Koalitionen in Deutschland zu ermöglichen“. Maaßen will nach eigenen Angaben eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht ausschließen. Mit deutlicher Kritik reagierte hingegen das Bündnis Deutschland. „Wir fühlen uns getäuscht“, beklagte Parteichef Steffen Große und begründete dies mit Absprachen, die es ihm zufolge während der „Vorversammlung der wahren Schwarmintelligenz“ im Sommer vergangenen Jahres gegeben habe. Generalsekretär Niklas Stadelmann fügte hinzu, Maaßen müßte sein Verhältnis zur AfD klären – auch mit Hinblick auf die Teilnahme zweier hochrangiger WU-Mitglieder am Treffen mit Martin Sellner in Potsdam. „Für uns ist ungeklärt, ob Hans-Georg Maaßen nun einen persönlichen Rachefeldzug gegen die CDU führen oder ob er gemeinsam mit uns den Anschluß an die Mitte der Gesellschaft suchen will“, fügte Große hinzu.

Einer Umfrage im Auftrag der jungen freiheit zufolge (JF 4/24) könnten sich fünf Prozent der Wähler derzeit sicher vorstellen, ihr Kreuz bei einer „Maaßen-Partei“ zu machen.