© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/24 / 26. Januar 2024

Ländersache: Baden-Württemberg
Gender – und kein Ende
Christian Schreiber

Es knirscht gewaltig in Baden-Württembergs grün-schwarzer Landesregierung. Von Harmonie im angeblichen „Musterländle“ sind die Stuttgarter Koalitionäre weit entfernt. Womit die CDU ihren „großen“ Partner, die Grünen, derzeit so richtig ärgert, sind weniger die Differenzen in Fragen der Einwanderungspolitik als vielmehr das Thema Gendern. Man werde in einer Verwaltungsvorschrift festhalten, daß Sonderzeichen wie Binnen-I und Gendersternchen in der Verwaltungssprache künftig nicht mehr zulässig seien, hatte Innenminister Thomas Strobl (CDU) in Stuttgart verkündet. Das würde dann etwa für Schriftverkehr von Ministerien oder Regierungspräsidien gelten. Man würde damit bestehende „Regelungsdefizite heilen“, so Strobl. Schulen und Hochschulen sollen von der Regelung zunächst nicht betroffen sein.

Man muß sich bei der Diskussion immer wieder in Erinnerung rufen, daß es maßgeblich die Grünen waren, die das Thema auf die Agenda gesetzt hatten. Um so überraschter gab sich nun die grüne Landtagsfraktion. Sie teilte auf dem Kurznachrichtendienst Threads mit, man könne sich nur wundern, daß diese „Verbotsfantasien“ für die CDU so wichtig und verlockend seien. Es seien die Gegner einer geschlechtergerechten Sprache, die ständig über das Gendern reden wollten. Es lohnt sich kaum zu erwähnen, daß die offizielle Pressemitteilung der „Gender-Öko-Partei“ natürlich in „geschlechtergerechter“ Form verfaßt wurde. 

Hintergrund der neuen Auseinandersetzung in der ohnehin streiterprobten Koalition ist das Volksbegehren „Stoppt Gendern in Baden-Württemberg“ des Heidelberger CDU-Kommunalpolitikers und Rechtsanwalts Klaus Hekking (JF 51/23). Ende vergangenen Jahres hatte seine Initiative die erforderlichen Unterschriften eingereicht; aber das Innenministerium erkannte dabei Formfehler. Hekking klagt nun gegen diese Entscheidung vor dem Landesverfassungsgericht (JF 4/24). 

Allerdings fand der aus formalen Gründen von der Bürokratie Abgewiesene Gehör bei CDU-Landes- und Fraktionschef Manuel Hagel. Der hatte Hekking in eine Fraktionssitzung eingeladen, wo ohnehin die Mehrheit genderkritisch eingestellt ist. Hagel wertete die Initiative dadurch auf, ging wieder einmal auf Distanz zum unliebsam gewordenen Koalitionspartner – und setzte Innenminister Strobl quasi unter Druck.

Das fanden die Grünen gar nicht witzig: Dem Prüfergebnis des Innenministeriums sei nichts hinzuzufügen. „Im Gegensatz zu Minister Strobl haben wir nicht die leiseste Absicht, uns von den Verbots-Ideologen treiben zu lassen“, höhnte die Fraktion. Spannend wird nun die zweite Runde sein. Denn möglicherweise bügelt der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann seine eigene Fraktion ab. Die Genderdiskussion sei Teil einer „aufgeladenen gesellschaftlichen Debatte“, er könne von einer „Sprachpolitik“ nur abraten. Er sei außerdem kein Freund davon, solche „Kulturdebatten“ hochzuziehen, sagte Kretschmann weiter. Die Menschen müßten den Eindruck haben, daß Politik in solchen Krisenzeiten die wirklich wichtigen Probleme löse. Vielleicht sollte er das einfach seiner Fraktion mitteilen.