Reinhard Jung hat eine Musterklage gegen die EU angestrengt. Konkret geht es gegen die Pflicht zur Nutzung einer App und der Übersendung georeferenzierter Fotos von seinen Agrarflächen. Denn die EU mißtraut den Bauern und läßt seit 2023 alle Ländereien im Wochentakt von Satelliten überfliegen. Das Bildmaterial wird dann mit den Angaben der Landwirte abgeglichen, die dafür Agrarfördergelder erhalten. Doch damit unterstellen die Brüsseler Bürokraten einem ganzen Berufstand „pauschal, wir würden falsche Angaben machen oder die bestehenden Vorgaben nicht einhalten“, so Jung, der einen Biohof im brandenburgischen Lennewitz betreibt. Diese „totale Überwachung“ sei nicht mit geltendem Recht gedeckt. Noch gravierender sei aber, daß die EU-Datenverarbeitung „Fehler ohne Ende macht“, so der 58jährige, der bei den „Freien Bauern“ organisiert ist: „Unsere angebliche Pflicht, Unstimmigkeiten mit Hilfe von App und Fotos aufzuklären, ist deshalb die Archillesferse des Systems.“
„Ich bitte höflich darum, vorerst von einer Durchsetzung der Foto-App-Nutzung abzusehen.“
In einem Rechtsstaat dürfe niemand verpflichtet werden, sich selbst zu belasten, argumentiert Jungs Anwalt Stephan Stiletto, Inhaber einer Kölner Wirtschaftskanzlei. Die vor dem Verwaltungsgericht Potsdam gegen den Landkreis Prignitz als zuständige Bewilligungsbehörde eingereichte Klageschrift macht auf schwere Datenschutzverstöße aufmerksam: „Daß ich ohne erkennbaren Anlaß überwacht werde und dabei auch noch selber mithelfen soll, lasse ich mir jedenfalls nicht gefallen“, so Mutterkuhhalter Jung. Um die Flächenüberwachung zu beenden, fordert sein Verband alle Landwirte auf, unter Hinweis auf das laufende Verfahren ihren Behörden mitzuteilen, daß sie die Foto-App-Pflicht für rechtswidrig halten und daher „höflich darum bitten, bis zum Ausgang des Verfahrens von einer Durchsetzung der Nutzung abzusehen“, heißt es in der Formulierungshilfe der „Freien Bauern“. An der Musterklage hatten sich bis vorige Woche knapp Landwirte beteiligt.