© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/24 / 19. Januar 2024

Frisch gepreßt

Vier Brüder. Seine Mutter Aenne hat dem Journalisten, Musiker und TV-Moderator Reinhold Beckmann kurz vor ihrem Tod einen Schuhkarton voller Feldpostbriefe vermacht. Geschrieben von deren vier Brüdern von den Fronten des Zweiten Weltkrieges. Keiner der Absender ist in die Heimat am Teutoburger Wald zurückgekehrt, der 1956 geborene Beckmann hat seine vier Onkel nie kennengelernt. Ein Verlust, den er zu kompensieren versucht, indem er die kurzen Lebenswege dieser „kleinen Leute“ aus der katholischen Provinz in die Alltags- und Kriegsgeschichte der NS-Ära einbettet. Beckmanns ertragreiche Spurensicherung vermeidet weitgehend das übliche politisch-moralische Lamento der „Vergangenheitsbewältigung“ und wirkt daher um so stärker auf Gefühl und Verstand des in der Regel wohl erschütterten Lesers. Dies ist keine Lektüre für Menschen mit schwachen Nerven. Es ist aber auch keine Lektüre, die sich in der konventionellen Botschaft „Nie wieder Krieg!“ erschöpft, wie das Gros der Rezensenten dieses binnen eines halben Jahres bereits in fünf Auflagen erschienenen Buches meint. Die Lehre aus der Geschichte, die es vermittelt, lautet vielmehr, daß „kleine Leute“, wenn sie sich ihr Herrschaftspersonal nicht sorgfältiger aussuchen, den Wahnsinn von „Eliten“, die die Welt retten wollen, gleichviel, ob vor dem „bolschewistischen Chaos“ oder der „Klimakatastrophe“, sehr teuer bezahlen müssen. (ob)

Reinhold Beckmann: Aenne und ihre Brüder. Die Geschichte meiner Mutter. Propyläen Verlag, Berlin 2023, gebunden, 345 Seiten, Abbildungen, 26 Euro





Heiterkeit. Axel Hacke, Kolumnist der Süddeutschen Zeitung, wäre gern ein heiterer Mensch. Mit Neid schaut der Autor, von Haus aus eher keine Frohnatur, „in schwierigen Zeiten“ darum auf seine glücklicheren Mitmenschen. Von seinem Büchlein erwartet der Leser deshalb Auskunft, ob und wie es Hacke gelungen ist, mit heiterem Gemüt jedem Starkregen an Katastrophenmeldungen zu trotzen. Er wird enttäuscht. Was ihm stattdessen geboten wird, ist eine wirre Melange zeitgeistkonformer linksliberaler Angstphantasien, in denen Putin, „der Killer, Massenmörder und verkniffene kleine Spießer“ genausowenig fehlt wie der Klimawandel. Vor diesem Hintergrund streut Hacke Witze, mit denen Loriot, Woody Allen, Groucho Marx, Gerhard Polt e tutti quanti ihr Publikum zu erheitern pflegen. Aus dieser öden Blütenlese sticht allein die Erinnerung an den vergessenen Werner Finck heraus, der nach 1933 in seiner Berliner „Katakombe“ allen handzahmen bundesdeutschen „Comedians“ vormachte, was wahrhaft regimekritisches Kabarett ist. (ob)

Axel Hacke: Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wichtig uns der Ernst des Lebens sein sollte. DuMont Buchverlag, Köln 2023, gebunden, 223 Seiten, 20 Euro