Kurz vor Weihnachten einigten sich Europäischer Rat, Parlament und Kommission auf „Grenzverfahren“ als mögliches Mittel zur Eindämmung der Massenzuwanderung nach Westeuropa. Grenzverfahren bedeutet, die Anerkennungsverfahren für „schutzsuchende Personen“ an den nationalen, im Idealfall an den EU-Außengrenzen durchzuführen. Nach Einschätzung von Ulrich Becker und Constantin Hruschka (Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik, München) werde die mit dieser Minimalkorrektur des Status quo verbundene Aussicht auf schnellere Verfahren und erfolgreiche Ab- oder Rückschiebung wohl umfassend enttäuscht. Denn nach wie vor verhindere der von beiden Juristen vehement verteidigte dichte Kordon aufwendiger rechtsstaatlicher Regularien effektiven Grenzschutz (Max Planck Forschung, 4/2023). Solange die EU daran festhalte, seien Grenzverfahren kein Allheilmittel. Sie reduzierten weder die Zahl der „Flüchtenden“, noch trügen sie zu einem Konzept der Verantwortungsteilung bei. Demnach wird Deutschland, das Hauptziel der aus dem globalen Süden anbrandenden „Humaninsolvenzmasse“ (Hadmut Danisch), nicht entlastet. Ebensowenig durch den von Becker und Hruschka angeregten Klassiker „Bekämpfung der Fluchtursachen“ durch multilaterale Abkommen mit den Herkunftsstaaten.