© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/24 / 19. Januar 2024

Verleugnete Rekrutierung
Falko Heinz offenbart das Werben der französischen Besatzer für ihre Fremdenlegion nach 1945 im Südwesten Deutschlands
Gregor Maurer

Das Anwerben von Deutschen für die französische Fremdenlegion nach dem Zweiten Weltkrieg stellt sowohl in der militär- wie in der landesgeschichtlichen Forschung ein Desiderat dar. Der Historiker Falko Heinz schließt mit seinem Buch nun eine nicht unwesentliche Lücke, die dabei auch explizit die deutsch-französischen Beziehungen betrifft. 

Nach einem allgemeinen Überblick über deutsche Angehörige der Fremdenlegion stellt der Autor die Legionswerbung nach dem Zweiten Weltkrieg im Südwesten Deutschlands während der französischen Besatzungszeit, aber auch noch darüber hinaus, am Beispiel der Stadt Landau als einem der zentralen Rekrutierungsorte in facettenreicher und multiperspektivischer Form in den Mittelpunkt.

Basierend auf einer breiten Quellengrundlage, einer umfangreichen Auswertung der Bestände von sieben deutschen und zwei französischen Archiven (darunter das Bundesarchiv in Koblenz und das Archiv des französischen Verteidigungsministeriums und der französischen Armee in Vincennes) sowie einer ausgiebigen Literaturauswahl gelingt es dem Autor äußerst anschaulich, das Agieren der Fremdenlegion in Landau, wo von 1945 bis 1955 die einzige durchgängig betriebene Anwerbestelle existierte, exemplarisch darzulegen.

Anhand von fünf Kapiteln untersucht Heinz im einzelnen die verschiedenen, teilweise höchst fragwürdigen Werbemethoden der Legion, die Rolle der deutschen Behörden und Institutionen sowie die von kirchlicher Seite erfolgte Betreuung junger Männer, die von der Landauer Werbestelle zurückgewiesen worden waren und nun oft völlig mittellos auf der Straße standen. Dabei liegt der Untersuchungsschwerpunkt auf den Jahren 1952 bis 1955, für die eine besonders dichte Quellenlage zu konstatieren ist. Mit einem Ausblick auf die Zeit bis 1956/57 und einem Fazit schließt das flott geschriebene und somit gut lesbare Buch.

Festzustellen ist, daß die französischen Besatzungsinstitutionen ab 1952 bewußt und gezielt nicht nur gegenüber den deutschen Behörden die Existenz der Annahmestelle geleugnet hatten, sondern ebenso auch gegenüber verzweifelten Eltern und Angehörigen, die nach dem Verbleib der jungen Männer oft vergeblich suchten. Insbesondere die französische Armee stellte der Fremdenlegion für ihre Absichten die erforderliche Infrastruktur und Logistik zur Verfügung, während die französische Gendarmerie als Helfershelfer fungierte. Gleichermaßen war auch die französische Besatzungsverwaltung in die Anwerbebemühungen der Fremdenlegion involviert, stritt aber gegenüber den deutschen Stellen jegliche Beteiligung vehement ab. In diesem Zusammenhang veranschaulicht Heinz interne Diskussionen innerhalb der französischen Behörden und Einrichtungen im Hinblick auf das weitere Anwerbevorgehen. War man sich im Grundsatz einig, junge deutsche Männer – oft unter Vorspiegelung falscher Tatsachen – für die Fremdenlegion zu rekrutieren, so kam es hinsichtlich des konkreten Vorgehens immer wieder zu Disputen.   

Den deutschen Akteuren waren gegenüber diesem Treiben meist die Hände gebunden. Dies galt für die Polizei gleichermaßen wie für die Kirche und die Politik. Immerhin richtete die Evangelische Kirche der Pfalz 1953 ein Überleitungsheim ein, das junge Männer, die an der Fremdenlegion Interesse bekundeten, von einem Eintritt abhalten sollte. Seitens der Politik machte die SPD – und hier vor allem die Jusos – ab 1952/53 massiv Front gegen eine weitere Werbung für die Legion. Sie agierte hier deutlich schärfer als die CDU-Landesregierung unter Ministerpräsident Peter Altmeier, die sich gegenüber diesen Methoden wiederum kritischer positionierte als die CDU-Bundesregierung unter Konrad Adenauer. Dem Kanzler ging es schließlich primär um die Westbindung der Bundesrepublik und die deutsch-französische Aussöhnung – die dubiosen Methoden der Legionswerbung waren für ihn somit mehr als nachrangig, hätte eine von Frankreich ernstzunehmende Kritik durch Bonn hier aus seiner Sicht doch nur störend gewirkt.

Anhand der exemplarischen Darstellung von Einzelschicksalen erläutert Heinz eindrucksvoll die Probleme der deutschen Behörden vor Ort. Schließlich hatte die Fremdenlegion einen stetig steigenden Personalbedarf vor allem aufgrund des Kolonialkrieges Frankreichs in Indochina zu verzeichnen. Letztlich kann man das gesamte Gebaren um die Anwerbung junger deutscher Männer für die Legion als eine verlogene Politik der Franzosen bezeichnen, die an der Ernsthaftigkeit der zu dieser Zeit offiziell auf höherer politischer Ebene beschworenen Aussöhnung und Partnerschaft leider doch erhebliche Zweifel aufkommen läßt.

Auch wenn die im Anhang beigefügten drei Schwarz-Weiß-Karten inhaltlich nur wenig ergiebig sind, handelt es sich bei dem vorliegenden Buch gleichwohl um eine ausgezeichnete Darstellung eines dunklen vergessenen, ja teilweise auch bewußt verdrängten Kapitels innerhalb der deutsch-französischen Beziehungen, das hiermit nun in gebührender wissenschaftlich anspruchsvoller Form dem an deutscher Lokalgeschichte interessierten Leser den notwendigen Einblick vermittelt.

Falko Heinz: Landau in der Pfalz und die französische Fremdenlegion 1945–1955. Verlag Regionalkultur, Ubstadt-Weiher 2023, gebunden, 280 Seiten, 29,80 Euro