Direkt nach der Regierungsübernahme hat Polens Ministerpräsident Donald Tusk von der Bürgerlichen Koalition (KO) mit der Entmachtung der Vorgänger begonnen. Unter dem Motto der Wiederherstellung der „Unabhängigkeit öffentlich-rechtlicher Medien“ und der „Entpolitisierung“ riefen die Regierungsfraktionen am 19. Dezember in einer Parlamentsresolution dazu auf, sämtliche Vorstände der staatlichen Medienanstalten zu entlassen. Diese waren von der als nationalkonservativ geltenden PiS-Partei installiert worden und hatten in den vergangenen acht Jahren den Staatsfunk auf Linie gebracht.
Zum Symbol der Machtkämpfe wurde vor allem der Polnische Fernsehfunk (TVP). Am Tag nach der Resolution folgte vor allem dort das Chaos: Der Nachrichtensender TVP Info und die Regionalprogramme wurden ausgeschaltet, sämtliche Nachrichtensendungen fielen aus. Einige TVP-Journalisten und PiS-Politiker besetzen aus „Widerstand“ die Warschauer Zentrale. Rangeleien mit dem Sicherheitsdienst und der Polizei sorgen für Entrüstung.
Einige Methoden erinnern bereits an die Vorgänger
Inzwischen ist TVP unter Kontrolle der KO. Doch wie die jüngste Gerichtsentscheidung zur Entlassung der Vorstände zeigt: Ganz legal verlief es nicht. Denn eine Resolution ersetzt kein Gesetz, und diejenigen, die von der PiS-Partei im Laufe der letzten acht Jahre erlassen worden sind, gelten weiterhin. Dazu gehört das Gesetz über den Nationalen Medienrat, welcher die eigentliche Aufsicht über den Staatsfunk hat. „Das Gesetz müßte zunächst von der Parlamentsmehrheit aufgehoben werden, wozu Präsident Duda wahrscheinlich nicht bereit wäre“, merkt Journalist Adam Szabelak auf dem rechtsgerichteten Publizistikportal Nowy Ład an.
Selbst die neue Regierung mußte einräumen, rechtlich unsauber gehandelt zu haben. In einem Radiointerview erlaubte sich Justizminister Adam Bodnar einen Freudschen Versprecher: „Wir bringen die Rechtsstaatlichkeit zurück und suchen nach einer Rechtsgrundlage dafür.“ Auch Befürworter der Übernahme äußern Bedenken und befürchten weitere Konsequenzen. Das linksliberale Nachrichtenportal oko.press warnte, daß der Bruch eines schlechten Rechts ein Feld „beliebiger Entscheidungen“ und der Straflosigkeit eröffne.
Die alten, PiS-dominierten Medien vermissen jedoch wenige. Trotz aller Probleme zeigen sich fast 53 Prozent der Bürger mit dem Umbau zufrieden. Nicht ohne Grund galt das alte Fernsehen als primitive Regierungspropaganda. Eine überwältigende Mehrheit der Sendezeit bekamen Politiker der PiS: Im zweiten Quartal 2023 waren es fast vier Fünftel. „Wir haben Propaganda gemacht wie zur Kommunismuszeit“, gab TVP-Satiriker Marcin Wolski, der selbst als PiS-nah gilt, zu.
Die neue Führung versucht nun einen Neustart. Kurz vor der Umbenennung der Hauptnachrichtensendung versprach der neue Hauptmoderator Marek Czyż: „In den letzten acht Jahren wurde hier ein mit sorgfältig gewählten Farben gemaltes Bild präsentiert. Ich versichere Ihnen, daß es hier ein Ende hat.“ Statt einer „Propagandasuppe mit aufdringlichem Geschmack“ wolle er „klares Wasser“ anbieten. Die Resonanz der neuen Sendung, „19:30“ war zumindest unter einigen Experten positiv. „Es gab deutlich weniger emotionale Sprache“, sagte der Medienethik-Experte Jerzy Kopania gegenüber dem Nachrichtenportal Wirtualna Polska (WP). Allerdings mit klarer Vorsicht: „Wenn ich die Details analysieren müßte, scheint es so, daß die Forderung nach Objektivität nicht ohne eine Art ‘Verdeckung’ der PiS auskommt.“
Kritischer fallen die Urteile in den sozialen Medien aus. Als Lackmustest nimmt ein Experte die Berichterstattung zum geplanten zentralen Verkehrsknotenpunkt „CPK“, eines Großprojekts aus der PiS-Zeit, welches die KO deutlich kritisierte. „Nur sechs Sekunden lang kommt ein Befürworter des Projekts in einer Reportage zu Wort“, bemängelt Maciej Wilk, ein in Kanada arbeitender Fluglinienmanager. Daraufhin lud ihn die neue Redaktion des TVP Info zu einer Diskussion über das Vorhaben ein. Doch als er die Argumente dafür präsentieren sollte, änderte der Moderator plötzlich das Thema. „Es ist ein bißchen auffällig – vor allem weil es nicht das erste Mal ist“, schrieb WP-Journalist Patryk Słowik über das Gespräch.