Ein gar nicht altersmildes Spätwerk hat Regie-Altmeister Roman Polanski, der im August sein neunzigstes Lebensjahr vollendete, mit „The Palace“ vorgelegt – ein in Ton und Thematik an Ruben Östlunds bissige Satire „Triangle of Sadness“ (2022) erinnerndes Fegefeuer der Eitelkeiten, in das der Regisseur vor allem die elitären Zirkel der Schönen (oder ehemals Schönen) und Reichen wirft.
Irgendwo in den Schweizer Alpen liegt ein romantisch verschneites Tal und mittendrin das mondäne Palace Hotel, in dem sich Jahr für Jahr die Privilegierten und Begüterten ein Stelldichein geben, um unter ihresgleichen den Jahreswechsel zu feiern. Ein besonderer verspricht der des Jahres 1999 zu werden. Denn – wir erinnern uns – zum Ende des Jahrtausends erwarteten nicht wenige den Weltuntergang, mindestens aber Menetekel, die ihn ankündigen. Menetekel wie das weltweit gefürchtete globale Computerversagen infolge der drei Nullen, die das neue Jahrtausend mit sich brachte und von denen nicht nur die berüchtigten Verschwörungstheoretiker annahmen, sie könnten die Algorithmus-basierten Systeme überfordern. Diese Millenniumspanik ist ein Subthema des Films; ein anderes: Putins Machtübernahme in Moskau, die ab und zu auf Hotelfernsehern zu sehen ist.
Russische Mafiosi mit überfüllten Geldkoffern
Zur illustren Gästeschar im Gstaader Palasthotel gehören der abgehalfterte Hochstapler Bill Crush (Mickey Rourke), die zu Ohnmachtsanfällen neigende Marquise de La Valle (Fanny Ardant), der 97jährige Milliardär Arthur W. Dallas III. (John Cleese) samt Gattin sowie der Schönheitschirurg Dr. Lima (Joaquim de Almeida) und jede Menge gealterter Damen, die zu seiner Kundschaft gehören oder zumindest gehören könnten. Außerdem steigt am Silvesterabend eine Horde von russischen Mafiosi in dem Nobelhotel ab. Die zwielichtigen Gestalten sind angereist mit völlig überdrehten Frauen und völlig überfüllten Geldkoffern. Zu ersten Turbulenzen kommt es, als Bill Crush mangels Reservierung kein adäquates Zimmer angeboten werden kann, die russischen Mafiosi ihre Geldkoffer nicht im Hotelsafe unterbringen können, der Schoßhund von Fanny Ardant sein Geschäft auf der Hotelbettwäsche verrichtet und – als Überraschungsgeschenk von Dallas III. für seine junge Gattin Magnolia anläßlich des ersten Hochzeitstages – ein lebender Pinguin angeliefert wird.
Mit der Anreise eines jungen Tschechen, der sich zu Bill Crushs unehelichem Sohn erklärt und ihm seine vermeintlichen Enkelkinder vorstellen möchte, bahnt sich die nächste Herausforderung für Hotelmanager Hansueli Kopf an. Ihm fällt nämlich die Herkulesaufgabe zu, die sehr unterschiedlichen Interessen all dieser Gäste unter einen Hut zu bringen. Den Mann, der mit einer übermenschlichen Geduld und Leidensfähigkeit die Herausforderungen der turbulenten Nacht der Nächte meistert, verkörpert das deutsche Multitalent Oliver Masucci, bekannt geworden als Hitler in „Er ist wieder da“ (2015).
Mit dem Komödianten Milan Peschel als Bankprüfer Caspar Tell, der von Bill Crush für ein windiges Geschäft geködert, dann aber von den Frauen der Russen-Mafia auf Abwege geführt wird, war ein weiterer Deutscher mit an Bord. Er bestätigt den Gesamteindruck, daß man den Ausflug des polnischen Regisseurs in die Schweizer Alpen nicht sonderlich ernst nehmen und daß hier folglich auch kein Gipfel der Filmkunst erreicht werden kann.
Tatsächlich hat Roman Polanski, der mit „Chinatown“ (1974) einen echten Klassiker schuf und mit dem bewegenden Weltkriegsdrama „Der Pianist“ (2002) einen zweiten beachtlichen Karrierehöhepunkt erreichte, mit „The Palace“ einen seiner schwächeren Filme abgeliefert. Die satirische Komödie wirkt uninspiriert und abgekupfert aus mittelmäßigen derselben Baureihe, einiges auch geschmacklos. Anders als bei Östlunds „Dreieck der Traurigkeit“ fehlt hier eine hintergründige Idee, eine gepfefferte Provokation, die den Film in einen relevanten Diskursrahmen stellt. Das Ensemblestück ist wenig mehr als die Summe seiner Einzelteile, die für sich genommen skurrile Miniaturkomödien sein mögen, damit aber eher auf eine Theater- oder Kleinkunstbühne gehören als in einen großen Kinosaal.