Die ungarische Regierung hat zum 1. Januar ein neues Programm in Kraft gesetzt, das der Geburtenförderung dient: Je nach Anzahl der Kinder (ein, zwei, drei und mehr) werden für Familien zinsgünstige Darlehen in Höhe von 15, 30 oder 50 Millionen Forint (40.000, 80.000 oder 130.000 Euro) zur Verfügung gestellt. Nur verheiratete Paare können diese für den Kauf einer Wohnung oder eines Hauses und nicht für den Kauf eines Grundstücks in Anspruch nehmen. Bei der Geburt eines Kindes steht dem Kreditnehmer offen, ein einjähriges Moratorium für die Rückzahlung zu beantragen. Bei der Geburt des zweiten und jedes weiteren Kindes plant man das zurückzuzahlende Kapital um zehn Millionen Forint zu reduzieren.
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„So behaupten die woken Tugendwächter, sie stünden rund um die Uhr im Kampf gegen Rassismus, darum könne ihre Einteilung der Menschen nach Hautfarbe, Alter und Geschlecht gar nicht rassistisch sein. So behaupten die Diversitätsbeauftragten, sie würden doch für Vielfalt eintreten, darum könne es nicht falsch sein, wenn sie die politisch erlaubte Meinung auf nur eine, nämlich ihre Weltanschauung reduzieren. Und als Höhepunkt linker Selbstverblendung gelten noch immer die Vertreter der offenen Grenzen, die sich als Inkarnation des Guten verstehen, weswegen es gar nicht sein kann, daß illegale Migration zu Problemen führt. Ein Gespräch mit Moral-Linken sieht heute so aus, daß man intellektuell unterfordert ist und zugleich alle Aufmerksamkeit dafür verschwendet, seine Worte so abzuwägen, als stände man vor der Inquisition.“ (Bernd Stegemann, Professor für Dramaturgie, in der Tageszeitung Die Welt, Online-Ausgabe vom 11. Januar)
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Zu den Irritationen, mit denen Kommentatoren fertig werden müssen, gehört die Aufsässigkeit der Landwirte. Tatsächlich gilt der „Nähr-“ als „Urstand“ (Spengler dixit) und deshalb gemeinhin als konservativ. Das ist aber nur eine Oberflächenwahrnehmung. Die Weltgeschichte im allgemeinen und die Geschichte der Bundesrepublik im besonderen war durchzogen von Bauernprotesten, die mal mehr, mal weniger rabiat ausfielen. Und wem dieser Hinweis nicht genügt, der sei an die Aufregung erinnert, die das Zeigen der schwarzen Fahne mit Pflug und Schwert bei den Großdemonstrationen 2020/2021 ausgelöst hat, weil die schon das rebellische Landvolk der 1920er und frühen 1930er Jahre geführt hat. Damals gab es noch eine – historisch vermittelte – Erinnerung an die sogenannten Bauernkriege vom Beginn des 16. Jahrhunderts, als sich der Landmann im Namen „des guten alten Rechts“ gegen die adeligen oder geistlichen Ausbeuter empörte. Ganz verschüttet scheint diese Tradition aber nicht zu sein. Auf einem Foto von einem aktuellen Aufmarsch sah man einen Mann mit dem Transparent, auf dem stand „Müntzer wäre stolz auf uns“. Womit ganz offenbar auf den Theologen Thomas Müntzer, den Bauernführer und Kopf des linken Flügels der Reformation Bezug genommen wurde.
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„Manchmal ist die Lösung nicht Modernität. Manchmal ist es Antiquität.“ (Elisabeth II. in der Netflix-Erfolgsserie „The Crown“; schön, wenn der Satz nicht nur gut erfunden, sondern historisch belegbar wäre)
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Chefredakteur Eric Gujer hat in einem Artikel für die Neue Zürcher Zeitung (Ausgabe vom 12. Januar) zum wiederholten Mal den Finger in die offene Wunde der „liberalen Demokratie“ gelegt: Gemeint ist das illiberale Verhalten ihrer Verteidiger, die – folgt man Gujers Argumentation – immer hemmungsloser den Machtbesitz nutzen, um ihnen unliebsame Konkurrenz auszuschalten. Er fordert, die liberalen Demokraten sollten sich darauf besinnen, daß die „liberale Demokratie“ eigentlich nur eine Menge an Verfahren sei, die den friedlichen und zivilisierten politischen Umgang ermöglichen. Die müßten auch im Hinblick auf die wirklichen oder vermeintlichen Verächter des Systems Anwendung finden. Es wäre natürlich am einfachsten, Gujer beizupflichten und nichts als die Wiederherstellung der Spielregeln zu verlangen. Aber so einfach liegen die Dinge nicht, denn derartige – für sich genommen sehr sympathische und ehrenwerte – Stellungnahmen verkennen immer entscheidende Faktoren: Liberalismus setzt ein unabhängiges Bürgertum voraus, das es so nicht mehr gibt, Liberalismus setzt ein hohes Maß an kultureller Homogenität voraus, das es so nicht mehr gibt, Liberalismus hätte die Meinungsfreiheit verteidigen müssen, die es so nicht mehr gibt. Die Ursachen dafür liegen im Opportunismus der Liberalen, die sich zu Tode gesiegt haben und wegen der daraus resultierenden Schwäche bereit waren, dem Druck ihrer linken Bündnispartner nachzugeben, dem wir nicht nur die volkspädagogischen Maßnahmen der Ampel, sondern auch ein Gesinnungsstrafrecht verdanken, das bis zu den 1970er Jahren unvorstellbar war. Vor allem aber gehört der Liberalismus zu den „zehrenden“ (Ernst Jünger) Weltanschauungen. Das heißt, er verbraucht systematisch den Bestand an Überlieferungen, der mehr ist als ein System von checks and balances, weil er das garantiert, was das Grundgesetz „Gemeinwohl“ nennt.
Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 2. Februar in der JF-Ausgabe 6/24.