Landkreise mit einem besonders hohen Anteil an Familienunternehmen haben im Schnitt eine doppelt so hohe Wirtschaftsleistung pro Einwohner wie Regionen, wo das nicht der Fall ist. Dies zeigt eine aktualisierte Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Für die Erhebung wurden 215 Landkreise unter Einbeziehung von 71.060 Unternehmen – davon 36.159 Familienfirmen ab 50 Mitarbeitern – analysiert. Spitzenreiter beim Familienunternehmeranteil sind die Kreise Biberach (Württemberg/73,1 Prozent) und Günzburg (Bayrisch Schwaben/72,9); Schlußlichter sind der Altmarkkreis (30,4) und der südniedersächsische Kreis Northeim (31).
Zu den Familienunternehmen zählen auch global operierende, aber mittelständische Unternehmen, die in Nischensegmenten Europa- oder Weltmarktführer geworden sind. Solche „hidden champions“ sind beispielsweise der Tunnelbauer Herrenknecht aus Schwanau (Baden) oder die Bremer Lürssen Werft, die Fregatten und bis zu 180 Meter lange Megajachten für Milliardäre herstellt. Früher fertigte sie Arbeitsboote für die Fischerei.
„Solidarisch, gut vernetzt und heimatverbunden“
Für die Studie wurden das Bruttoinlandsprodukt, Kaufkraft, Produktivität, gemeindliche Steuerkraft, Beschäftigung und Lehrlingsquote untersucht. Familienunternehmen seien demnach „Arbeitsplatzmotor, Stabilisator und Transformator. Sie sind flexibel, schnell, innovativ und denken langfristig“, erklärte Rainer Kirchdörfer, Jurist und Honorarprofessor an der Universität Witten/Herdecke. „Außerdem sind sie solidarisch, gut vernetzt und heimatverbunden. Ob in Politik oder Verwaltung: Wer seine Region voranbringen will, sollte den Schulterschluß mit Familienunternehmen suchen.“
Aus Perspektive der Landräte und regionalen Wirtschaftsförderer hätten Familienfirmen eine durchgehend höhere Bedeutung als Nicht-Familienunternehmen. 90 Prozent spielten auch eine erkennbare Rolle für das kulturelle und soziale Leben vor Ort. 85 Prozent sahen eine Mitgestaltung im Bereich Bildung. Nicht einmal die Hälfte der Befragten erkannte ein ähnliches Engagement bei Nicht-Familienunternehmen. „Damit leisten Familienunternehmen einen entscheidenden Beitrag zu einer der Grundlagen des Wohlstands in Deutschland – der Dezentralität der Wirtschaftsstruktur, das heißt dem Vorhandensein vieler wirtschaftsstarker Regionen innerhalb der Bundesrepublik“, heißt es in der 96seitigen IW-Studie.
Doch die aktuellen Zahlen seien kein Grund zum Ausruhen – der Wohlstand sei bedroht: „Aktuelle Transformationsprozesse im Kontext von Dekarbonisierung, Digitalisierung und demographischem Wandel stellen für die weitere Entwicklung der ländlichen Regionen eine besondere Bürde dar“, schreiben die vier IW-Autoren. Ländliche Räume mit einem hohen Anteil an Familienfirmen weisen eine niedrigere Arbeitslosenquote und eine bessere Beschäftigungsentwicklung auf: „Die ökonometrische Analyse zeigt, daß ein Anstieg des Familienunternehmensanteils um einen Prozentpunkt mit einem Sinken der Arbeitslosenquote um 0,07 Prozentpunkte einhergeht.“ Die kommunalen Befragungen bestätigten außerdem, daß sie bei der Nachwuchsgewinnung sehr aktiv sind.
„Damit tragen Familienunternehmen dazu bei, den Herausforderungen des demographischen Wandels und des zunehmenden Fachkräftemangels besser begegnen zu können“, lobt das IW. Hervorgehoben wurden die langfristige Finanzplanung sowie die Standorttreue der inhabergeführten Firmen. Zudem betonten die Interviewpartner die engen Netzwerkstrukturen zwischen den Akteuren vor Ort, die sich auch im politischen und gesellschaftlichen Engagement der Unternehmer niederschlagen würden.
Zudem gebe es aus den Reihen der Familienfirmen deutlich mehr Patentanmeldungen sowie einen wesentlich höheren Anteil von MINT-Beschäftigten. Das sind Berufsbilder, die sich unter den Begriffen Mathematik, Informatik, Natur- und Ingenieurwissenschaft und Technik einordnen lassen. Damit dieser Trend fortgesetzt werden kann, kommt die Studie zu dem Schluß, daß der Ausbau der digitalen und Verkehrsinfrastruktur überlebenswichtig sei. Die beklagte hohe Belastung durch die Energiekosten und Inflation betrifft allerdings alle Wirtschaftsbereiche.
IW-Studie „Die Bedeutung der Familienunternehmen für ländliche Räume“: