In der dritten oder vierten Januarwoche zieht es die Reichen und Mächtigen – oder die, die sich dafür halten und mit ihnen gesehen werden wollen – mit ihren Privatjets in die Schweiz. Auf dem Flughafen Zürich dürfen die wichtigen dann in einen Hubschrauber umsteigen, um dann auf 1.500 Meter Höhe im Kongreßort Davos den Hohepriestern der Globalisierung und des hochtechnologischen Fortschritts zu lauschen. Die nicht ganz so prominenten der 2.800 Teilnehmer aus 120 Ländern müssen eine zweistündige Auto- oder mindestens dreistündige Bahnfahrt absolvieren. Und sie können in der Regel weder in den Suiten des Luxushotels „Alpengold“ noch im „Steigenberger Belvédère“ residieren.
Das 54. Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums (WEF), das 1971 als „European Management Forum“ von dem deutschen Wirtschaftsprofessor Klaus Schwab initiiert wurde, steht unter dem Motto „Das Vertrauen wiederherstellen“. Und diesmal heißt es: Kehrt marsch! Die Apokalypse der Künstlichen Intelligenz (KI) und der Rückbau der weltweiten Lieferketten ist wegen der ständig wachsenden globalen Gefahren angesagt.
Angeblich 1.400 sogenannte Risikoexperten sowie politische und Wirtschaftsführer hat das WEF für seinen „Global Risk Report 2024“ befragt. Die Mehrheitsmeinung ist: Die neuen Risiken wachsen. Fortschritte in der menschlichen Entwicklung werden abgebaut. Die Hyperglobalisierung, die nach dem Ende des Ostblocks und mit den Wirtschaftsreformen in China und Indien ab 1990 einsetzte, hat ihren Zenit überschritten. Überdehnte Lieferketten mit ihren Abhängigkeiten von Chips aus Ostasien, E-Auto-Batterien aus China und Arzneimitteln aus Indien werden zurückgebaut. Damit steigen die Preise, auch durch teurere Produktionen und aufwendige Lagerhaltungen.
Einst gefeierte Hyperglobalisierung hat ihren Zenit überschritten
Dazu kommen vermehrt volkswirtschaftlich unproduktive Rüstungsausgaben. Der Lebensstandard der meisten wird „eingefroren“ und nicht mehr von Generation zu Generation wie bislang verbessert. Erhöhte Lebenshaltungskosten, vor allem für Energie und Nahrungsmittel, lassen die Unterschichten auch im reichen Westen zunehmend verarmen. In der Dritten Welt droht durch Dauerkrisen zunehmendes Staatsversagen.
Das größte Ungemach jedoch droht laut WEF durch die KI. Dabei sitzen die neuen Propheten des nahen Untergangs – am prominentesten Peter Thiel und Elon Musk – ausgerechnet im kalifornischen Silikon Valley, bis vor kurzem die Weltzentrale des technologischen Fortschrittsoptimismus. Die Szenarien der KI Apokalypse reichen von neuen hochsüchtig machenden Drogen zu neuen Krankheitserregern der Marke Corona plus bis zu biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen, die von Verbrechern und Terroristen unschwer massenhaft vervielfältigt werden könnten.
Die Bunkerbauer und Auswanderer auf einsame Inseln haben dort wieder Konjunktur. Auch könnten in diesem Jahr die Vielzahl anstehender Wahlen – in den USA über Europa und in Mitteldeutschland – durch KI per Desinformation mit gefakten Videos und Massen-E-mails manipuliert werden. Befürchtungen, mit denen vielleicht das nicht passende Ergebnis dieser Wahlen im vorhinein delegitimiert werden soll. An der natürlichen Blödheit der politisch-medialen Klassen in Berlin und Brüssel darf es wohl nicht liegen.
Schon Hillary Clintons Niederlage gegen Donald Trump 2016 wurde bekanntlich ohne die Spur eines Beweises russischen Einflußagenten und Trollfabriken untergeschoben. Denn das „Juste milieu“ der US-Küstenelite durfte mit seiner Favoritin gegen den Rabauken der „Deplorables“ und „Fly Over States“ nicht falschliegen. So wird mit KI schon die nächste anonymisierte Verschwörungstheorie der politischen Linken aufgebaut. Dazu gibt es jede Menge Seminare zur Cyber-Sicherheit und wie sich Firmen und Staaten vor solchen Angriffen wappnen sollten. Auch dies eine Wachstumsbranche.
Erderwärmung gilt mehrheitlich nur noch als „Rahmenbedingung“
An einer unwahrscheinlichen Front kommt aus Davos freilich Entwarnung: Der Klimawahn ist abgesagt – trotz der vielen „Langzeitstrategien zu Klima, Natur und Energie“. Die aktuelle leichte Erderwärmung gilt mehrheitlich nur noch als „Rahmenbedingung“, mit der man leben und sich auf vermehrte Extremwetterlagen schlicht einstellen muß. Menschliche Einflußnahmen werden realistischerweise nicht mehr gesehen. Die Weltlobby der Elektroautos, Solarpanele, Wärmepumpen, Windräder und Dämmstoffhersteller scheint ausgespielt zu haben. Abzuwarten ist, wann sich dies nach ihren Pilgerfahrten nach Graubünden auch in Berlin, Brüssel und Wien herumsprechen wird.
Möglicherweise sucht die Davoser Wirtschaftselite, von der Klimareligion für die tumben Massen und Schulkinder gelangweilt, auch nur nach einem neuen Thema. Es wäre nicht der erste abgesagte Weltuntergang: Vom unweigerlichen Atomkrieg, dem Ende der fossilen Brennstoffe, dem Waldsterben, Ozonloch, über den Rinderwahn, die Vogelgrippe, Aids, Ebola, das Bienensterben, Meteoritenschwärme, den Elektrosmog, die Strahlung von Tschernobyl bis hin zu Corona dem Killervirus.
Angekündigt wurden in Davos 1.600 Unternehmenslenker und etwa 400 Politiker, darunter die Präsidenten Emmanuel Macron (Frankreich), Wolodymyr Selenskyj und Jitzchak Herzog (Israel), aber auch „rechte“ Amtskollegen wie Aleksandar Vučić (Serbien), Andrzej Duda (Polen) und Javier Milei (Argentinien). EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ist ebenso dabei wie Christian Lindner und EZB-Chefin Christine Lagarde oder die Premiers von China, Südkorea, der Mongolei, Thailand, Vietnam, Spanien, Irland, Belgien, der Niederlande, Griechenland, Jordanien, Irak, Katar und dem Libanon. Der Ukraine- und Nahostkrieg tauchen nicht explizit im Programm auf, genausowenig wie die Migrationskrise. Sie dürften jedoch in den wichtigeren bilateralen Treffen ihre Rolle spielen. Und nach den Wahlen in Taiwan ist nun ein zusätzliches Problem mit China hinzugekommen.
„Global Risk Report 2024 – 19th Edition“: