© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/24 / 19. Januar 2024

Erschreckende Zukunftsbilanz
Stiftung Marktwirtschaft: Zuwanderung kostet Deutschland langfristig etwa 5,8 Billionen Euro
Fabian Schmidt-Ahmad

Von allen Zukunftswissenschaften hat die Demographie vielleicht die geringste Möglichkeit für Phantasie, dafür liefert sie aber die nüchternsten Ergebnisse mit geringen Abweichungen. Statistisch gibt es hier kaum Überraschungen. So läßt sich verläßlich sagen: Je mehr Deutschlands geburtenstarke Jahrgänge ins Rentenalter kommen, desto mehr wird die Finanzierung des Rentensystems zu einem gewaltigen Problem werden. Denn wie sollen immer weniger Beitragszahler immer mehr Ansprüche befriedigen?

Bereits jetzt übersteigen die erwarteten Renten- und Pensionsansprüche als „Nachhaltigkeitslücke“ die ausgewiesene Staatsverschuldung (derzeit 2,54 Billionen Euro) um ein Mehrfaches. Das heißt, es werden mehr Leistungen in Anspruch genommen als finanziert. Wie soll das künftig zu stemmen sein? Der „neoliberale“ wie auch der linksgrüne Ansatz ist die Bevölkerungsverschiebung. So wie in kommunizierenden Röhren der Flüssigkeitsspiegel immer gleich ist, soll die Jugend der Welt in unsere alternde Gesellschaft strömen.

Auch für Inländer ergeben sich negative Nettozahlungen

Politisch wurde bislang die Zuwanderung von  400.000 Fachkräften jährlich diskutiert. Die Chefin der „Wirtschaftsweisen“, Monika Schnitzer von der LMU München, hält – wegen der Abwanderung qualifizierter Deutscher und Migranten – sogar 1,5 Millionen Zuwanderer jährlich für nötig. Ihr Ökonomenkollege Lars Feld von der Universität Freiburg ist etwas vorsichtiger: „Unser Sozialsystem hält durchaus eine Million Zuwanderer aus und ist darauf angelegt, sie in den Arbeitsmarkt zu integrieren“, sagte der zum Berater von Wirtschaftsminister Christian Lindner (FDP) aufgestiegene Professor schon 2017 der Welt am Sonntag. „Daß diese Menschen bisher nichts in das Sozialsystem eingezahlt haben – und das so schnell auch nicht tun werden –, klingt bedrohlicher, als es ist.“

Schlußendlich sei das zu vernachlässigen, „denn die daraus erwachsende Tragfähigkeitslücke liegt im Nachkommabereich“, so Feld damals. Ausgerechnet ein Freiburger Kollege hat sich diesen „Nachkommabereich“ einmal näher angeschaut und kommt in der Studie: „Ehrbarer Staat? Fokus Migration: Zur Fiskalischen Bilanz der Zuwanderung“ zu einem anderen Ergebnis. Die Nachhaltigkeitslücke werde durch Einwanderung nicht geschlossen, sondern um ungeheure 5,8 Billionen Euro weiter aufreißen. Zum Vergleich: Das deutsche Bruttoinlandsprodukt lag 2023 bei 4,1 Billionen Euro.

Das schätzt eine Forschergruppe um den Rentenexperten Bernd Raffelhüschen, gleichfalls von der Universität Freiburg. Eine Zahl, die kaum vorstellbar ist. Würden wir beispielsweise menschliche Haare übereinanderlegen, könnten wir damit etwa die Strecke von der Erde zum Mond bewältigen. Zuwanderung ist demnach ein katastrophales Verlustgeschäft für Deutschland. Wie kamen die Forscher zu ihrem erschreckenden Befund, der diametral dem herrschenden Narrativ entgegensteht?

Indem die Autoren die empirisch feststellbare Zusammensetzung der Einwanderer in die Zukunft projizierten. „Zur Ermittlung der fiskalischen Bilanz werden für die zukünftigen Migrantinnen und Migranten die heutigen durchschnittlichen Pro-Kopf-Zahlungen der im Inland lebenden Ausländer und Ausländerinnen verwendet und eine Integrationsdauer von sechs Jahren unterstellt.“ Insbesondere die Qualifikation der Einwanderer sowie ihre Verweildauer im deutschen Sozialsystem haben es in der Rechnung in sich.

„Während der Erwerbsphase leistet die ausländische Bevölkerung im Durchschnitt geringere Nettozahlungen als die inländische – also im Basisjahr bereits über die deutsche Staatsbürgerschaft verfügende – Bevölkerung. Im Gegenzug erhält sie jedoch auch geringere Nettoleistungen während der Ruhestandsphase.“ Aber selbst Deutsche nehmen derzeit bei weitem mehr Leistungen in Anspruch, als sie erbringen. Denn „auch für neugeborene Inländer ergeben sich über den restlichen Lebenszyklus negative Nettozahlungen“.

Dadurch profitieren aber Einwanderer überdurchschnittlich häufig von Sozialleistungen, da sie sich von vornherein dort bewegen, wo sie Ansprüche geltend machen können. „Wenn der Sozialstaat bereits für die inländische Bevölkerung großzügiger ist, als er es sich leisten kann und die zuwandernde Bevölkerung überdurchschnittlich von Sozialleistungen profitiert, kann allein die Zuwanderung den Sozialstaat nicht sanieren.“ Sprich: Die gegenwärtige Einwanderung ist ein Problem, keine Lösung. Summarisch ergibt sich so zwar für alle ein Defizit, „sofern das derzeitige Abgaben- und Leistungsniveau in der Zukunft beibehalten wird“, nur fällt das Mißverhältnis bei Einwanderern besonders schwer ins Gewicht. Bei angenommenen 300.000 Einwanderern pro Jahr ergebe das ein Verlustgeschäft, das „knapp das Anderthalbfache der aktuellen jährlichen Wirtschaftsleistung“ Deutschlands betrage, rechnen die Autoren vor. Das ist eben die unglaubliche Summe von 5,8 Billionen Euro.

„Die fiskalische Gesamtwirkung der Migration bleibt negativ“

„Machen wir weiter wie bisher, sind wir dumm wie Stroh!“, kommentierte Raffelhüschen die Zahlen seiner Studie wenig diplomatisch in der Bild. Doch besser machen ist leichter gesagt als getan. „Eine Option zur Minderung der finanziellen Belastung durch Migration besteht in migrationspolitischen Maßnahmen, die auf eine Verbesserung der Qualifikationsstruktur künftiger Migranten und Migrantinnen abzielen“, heißt es zwar in der Studie. Doch selbst bei sehr optimistischen Annahmen kommen die Autoren in ihren Kalkulationen immer zu einem negativen Ergebnis gegenüber einem Modell ohne Einwanderung.

„Die fiskalische Gesamtwirkung der Migration, die als fiskalische Bilanz bezeichnet wird, bleibt somit negativ. Selbst die erheblich höhere Qualifikation eines großen Teils der Migranten und Migrantinnen stellt keine effektive Lösung für die mangelnde Nachhaltigkeit des Staatshaushalts dar.“ Die Autoren bringen zwar eine Kürzung von Leistungen als Lösung ins Gespräch, doch eine „Nachhaltigkeitslücke auf diese ungerechte Weise zu schließen, läuft letztlich auf ein Staatsversagen hinaus.

Denn die Leistungen wurden ja einst erbracht, im guten Glauben, nicht als Selbstversorger für das Alter vorzubeugen. Und zwar Leistungen, die einen erheblichen Teil des Einkommens ausmachten und ausmachen. Den Bürgern diese vorzuenthalten, weil Politiker Mißwirtschaft betrieben haben, käme einem Betrug gleich.

Argumente zu Marktwirtschaft und Politik (173/24):

 stiftung-marktwirtschaft.de

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