© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/24 / 19. Januar 2024

US-Börsenaufsicht SEC läßt ersten offenen Bitcoin-ETF zu
Schaden durch Anlegerschutz
Thomas Kirchner

Seit Monaten konzentrierten sich die Hoffnungen der Bitcoinfans auf ein Ereignis: die Zulassung der ersten börsennotierten Bitcoin-Fonds (ETF) in den USA, die in der zweiten Januarwoche nun erfolgte. Sie sollte einen Nachfrageboom nach der Kryptowährung auslösen. Doch statt des Kursschubs gab es zunächst einen Börsenkater: Der Bitcoin fiel um rund zehn Prozent. Vorausgegangen waren jahrelange Streitereien. Alle Anträge auf Zulassung eines Bitcoin-ETF hatte die US-Wertpapierbehörde SEC jahrelang hinausgezögert und dann mit wechselnden Begründungen abgelehnt. Zugelassen hingegen wurden ETFs, die in Derivate auf Bitcoin investieren. An der Börse handelbar war auch ein geschlossener Fonds von Grayscale, der bis vor kurzem mit einem kräftigen Abschlag gegenüber dem Wert seiner Bitcoins handelte (JF 29/23).

Bei offenen Fonds, wie den jetzt zugelassenen ETFs, entspricht der aktuelle Börsenkurs immer exakt dem Wert der im Fonds enthaltenen Vermögenswerte. Bei geschlossenen Fonds bestimmen Angebot und Nachfrage den Kurs, der deshalb deutlich vom Wert des Fondsvermögens abweichen kann. Der Grayscale Bitcoin Trust gab jetzt den Ausschlag für die Zulassung offener Bitcoin-Fonds. Genauer: Grayscale hatte seit Jahren versucht, den geschlossenen Fonds in einen offenen umzuwandeln, was die SEC abgelehnt hatte. Im Dezember gab ein Berufungsgericht Grayscale recht und verdonnerte die SEC, Anfang Januar die Genehmigung auszusprechen. 21 offene Fonds sind seit Dienstag verfügbar, wovon Grayscale deutlich führt, denn der geschlossene Fonds verfügt bereits länger über Bitcoins im Wert von 26 Milliarden Dollar.

Kleinanlegerschutz gab die SEC als Entscheidungsgrundlage an, doch sie erzielte genau das Gegenteil. Weil Grayscale ein geschlossener Fonds war, wich der Börsenkurs deutlich vom Wert seiner Bitcoins ab. In den Krypto-Boomjahren bis 2022 lag er oft ein Drittel höher. Das eröffnete Insidern eine interessante Arbitrage: sie lieferten Bitcoin in den Fonds ein und erhielten Anteile, die ein Drittel mehr wert waren als die gelieferten Bitcoins. Nach einer sechsmonatigen Wartefrist konnten sie die Anteile verkaufen und den Gewinn realisieren. Three Arrows Capital in Singapore war einer der autorisierten Teilnehmer an diesem Geschäft, aus dem sich ein ganzes Krypto-Biotop entwickelte. Three Arrows hatte selbst nicht genug Bitcoin und mußte sie sich von anderen leihen.

Das führte zur Gründung von Krypto-Banken, die zweistellige Zinsen an Kryptohalter zahlten, die ihre Bitcoins bei den Krypto-Banken einzahlten. Die wiederum verliehen diese Bitcoins an Three Arrows, angeblich für 20 Prozent, die wiederum die Bitcoin bei Grayscale einlieferten, dafür Anteile bekamen, die sie später mit Aufschlag verkaufen konnten. Es war eine Gelddruckmaschine für alle Beteiligten – außer den Kleinanlegern, die überteuerte Grayscale-Anteile an der Börse erwarben.

Das ganze Spiel kam zu einem abrupten Ende, als der Bitcoin 2022 abstürzte und der Aufschlag bei Grayscale zu einem Abschlag wurde. Three Arrows und Kryptobanken gingen pleite, wer seine Bitcoins bei einer Krypto-Bank angelegt hatte, wartet heute noch auf Rückzahlung. Hätte die SEC die Umwandlung von Grayscale in einen offenen Fonds schon vor Jahren genehmigt, wären die Arbitrage-Geschäfte auf Kosten der Kleinanleger gar nicht erst möglich gewesen. Durch den gutgemeinten, aber fehlgeschlagenen Schutz durch die SEC erlitten Kleinanleger Verluste in Milliardenhöhe.