© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/24 / 19. Januar 2024

Ländersache: Hessen
Und weiter geht’s
Christian Schreiber

Um den islamischen Religionsunterricht in Kooperation mit dem türkischen Moscheeverband Ditib an hessischen Schulen hat es seit Jahren kontroverse Debatten gegeben. Kultusminister Alexander Lorz (CDU) war auch aus den eigenen Reihen aufgefordert worden, die Zusammenarbeit zu beenden. In der vergangenen Woche kam er aber zu einem anderen Ergebnis. Demnach bestehe zwar „die abstrakte Gefahr“, daß die Unabhängigkeit von Ditib Hessen von der Regierung der Republik Türkei „nicht hinreichend gewährleistet ist“. Für eine politische Instrumentalisierung gebe es aber keine konkreten Hinweise. 

Grundlage der Entscheidung seien die Ergebnisse einer erneuten Begutachtung durch drei unabhängige Wissenschaftler gewesen, teilte das Ministerium mit. Ditib Hessen habe einen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf, daß der islamische Religionsunterricht unter seiner Mitwirkung fortgesetzt werde, erklärte der Rechtswissenschaftler Christian Waldhoff von der Humboldt-Universität Berlin. In Hessen war der sogenannte bekenntnisorientierte islamische Religionsunterricht zusammen mit Ditib vor zehn Jahren gestartet worden. 

Im April 2020 hatte das Kultusministerium angekündigt, den Unterricht im darauffolgenden Schuljahr auszusetzen. Damals wurden erstmals Zweifel an der Verläßlichkeit des Kooperationspartners laut. Es sei fraglich, ob die notwendige Unabhängigkeit vom türkischen Staat vorhanden sei, erklärte die Landesregierung damals. Gegen diese Entscheidung war der türkische Moscheeverband erfolgreich juristisch vorgegangen. Der Unterricht wurde vor eineinhalb Jahren wieder eingeführt, das Kultusministerium hatte aber eine juristische Prüfung angekündigt. Auch der Nahostkonflikt änderte an der Einschätzung der Experten erst einmal nichts. „Gleichwohl wird die hessische Landesregierung stets wachsam sein und genau hinschauen, damit der unter staatlicher Aufsicht stehende Unterricht zu jedem Zeitpunkt unseren demokratischen Werten und Vorstellungen entspricht“, sagte Minister Lorz, der auch intern unter Druck stand.

An Hessens Schulen werde „unseren Kindern Judenhaß gelehrt“, hieß es in einer Pressemitteilung des Landesverbands der Jungen Union (JU). Den Minister ermahnte der Parteinachwuchs sogar, er dürfe „das Thema nicht verpassen“. Ditib Hessen äußerte sich dagegen zufrieden mit der jüngsten Entscheidung. Man habe die Hoffnung, „daß der zuweilen unsachlich geführte Diskurs bezüglich des Religionsunterrichts und der Kooperationspartnerschaft wieder auf einen sachlichen Pfad geführt“ werde, teilte der Verband mit. 

Die Opposition im Hessischen Landtag sah dies naturgemäß ganz anders. Der bildungspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Moritz Promny, rief die neue Landesregierung in Wiesbaden dazu auf, das Handeln von Ditib künftig genau zu beobachten und bei belegbaren Verstößen die Kooperation zu beenden. Die Liberalen waren zu der Zeit als kleinerer Koalitionspartner der CDU die treibende Kraft bei der Einrichtung des Islamunterrichts mit Ditib. Mittlerweile spricht man von einer Fehlentscheidung. Die AfD-Landtagsfraktion sprach von einer „nicht nachvollziehbaren Entscheidung“.